
Landdeals: mehr Geld, aber nicht mehr Wohlstand
Das Beispiel Laos
In Entwicklungsländern werde viel Ackerland ineffizient bewirtschaftet oder läge brach: Seit die Weltbank dieses Narrativ 2008 salonfähig gemacht hat, prägt es die Landwirtschaftspolitik zahlreicher Entwicklungsländer. Gleichzeitig hat es privaten Investoren die Türen für Landakquisitionen geöffnet.
Ein Land, das stark auf das Modell gesetzt hat, ist Laos. Der Staat in Südostasien hat einen Wirtschaftsboom hingelegt, die Armut in ländlichen Gebieten reduziert und dort eine beträchtliche Anzahl Jobs geschaffen.
Ein laotischer Forscher hat in seiner Doktorarbeit am CDE die Daten unter die Lupe genommen – mit ernüchterndem Ergebnis.
Anpflanzung von Eukalyptus-Setzlingen in einem frisch gerodeten Wald, Provinz Khammouan, Laos.
In den Nullerjahren begann der Boom der Landdeals im Agrarsektor. Kapitalkräftige Staaten und Unternehmen sicherten sich Land für Nahrungsmittel und andere hochwertige Agrargüter wie Bio-Treibstoffe und Futtermittel, um unabhängiger vom Weltmarkt zu werden. Private spekulierten dabei auf Gewinne, Regierungen setzten auf die Ernährungssicherheit ihrer Bevölkerung – und Entwicklungs- und Schwellenländer sahen darin das Mittel für einen Entwicklungsschub.
Karte der potenziellen Schaffung von Arbeitsplätzen durch grossflächige Landdeals (LSLA) als Anteil an der Gesamtbeschäftigung (Quelle: Land Matrix, Analytical Report III . Berechnungen auf der Grundlage von Daten der Land Matrix und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO 2020). Es sind nur die abgeschlossenen Geschäfte berücksichtigt, mit Ausnahme der abgebrochenen Landdeals).
Mittlerweile ist klar: Die Kehrseite der Medaille – bedingt durch die Veränderung der Landnutzung – sind einerseits eine weltweit massive Zerstörung von Umwelt und Ressourcen. Andererseits haben die Landdeals negative Folgen für die lokalen Lebensgrundlagen, zumal die vertriebenen Kleinbäuerinnen und -bauern nur sehr begrenzte Alternativen haben, um ihre Existenz zu sichern.
Das zumindest ergeben globale Analysen sowie eine wachsende Literatur zu lokalen Fallstudien.
Vorbereitung für Kautschukplantagen, Provinz Luang Namtha
Erkenntnisse auf Landesebene sind wichtig für die Politik
Doch wie sieht es auf nationaler Ebene aus? Hier mangelt es in der Regel an konkreten Erkenntnissen. Gerade sie wären aber wichtig, weil sie angepasste Ansätze für die Politik eines Landes liefern könnten, Investitionen und Landnutzung nachhaltiger zu gestalten. Die Hauptgründe für die Lücke sind einerseits die «Diskretion» der involvierten Akteure, andererseits das Fehlen von zuverlässigen Daten in den betroffenen Ländern.
Transparenz bei Grundstücksgeschäften in G20- und Nicht-G20-Investitions- und Zielregionen (Quelle: Land Matrix, Analytical Report III )
Laos, ein einzigartiger Fall
Eine Ausnahme ist Laos. Der Staat am Mekong ist ein einzigartiger Fall, zumal es hier – dank der langjährigen Zusammenarbeit mit der Schweizer Entwicklungsagentur DEZA und der wissenschaftlichen Unterstützung des CDE – detaillierte räumlich-statistische und qualitative Daten gibt, die das breite Spektrum an Landdeals abdecken.
Kommt hinzu, dass sich in Laos grundsätzlich ein günstiger Zusammenhang zwischen der Landvergabe, steigenden Einkommen und Jobs herstellen lässt. Das Wirtschaftswachstum war in den letzten zwei Jahrzehnten eines der stärksten der Region – hauptsächlich wegen des Rohstoffsektors.
Allein die Exporte von landintensiven Gütern nach Thailand, China und Vietnam nahmen im Schnitt um 19 Prozent pro Jahr zu. Ein entscheidender Faktor dabei: Die zahlreichen Landkonzessionen, die die Behörden vor allem zwischen 2004 und 2017 erteilten – 600’000 Hektar, die an Agrar- und Baumplantagenprojekte gingen.
Neue Eisenbahnstrecke China-Laos, Baustelle bei Vientiane
Beeindruckende Zahlen punkto Armutsreduktion?
In der Landwirtschaft entstanden so 26’000 Arbeitsplätze. Zwischen 2005 und 2015 sank auch die Armutsrate: In 1402 Dörfern, die von landwirtschaftlichen Deals betroffen sind, ging sie von 41 auf 28 Prozent zurück. «Diese Resultate stehen im Gegensatz zu anderen Studien, wonach Landdeals die Armut in Entwicklungsländern nur erhöhen», sagt Vong Nanhthavong, ein laotischer Wissenschaftler, der am CDE kürzlich zu diesem Thema doktoriert hat.
Solche Zahlen beeindrucken – allerdings nur auf den ersten Blick. «Die meisten Landkonzessionen wurden entlang des Mekong und wichtiger Verkehrswege vergeben. Dort ist die Armutsquote ohnehin niedriger als in abgelegenen Regionen», so Vong Nanhthavong. Schliesslich, so betont der Wissenschaftler, beruhe die positive Bilanz auf einer rein monetären Messung von Wohlstand.
«Objektiv betrachtet, kann man Wohlstand im ländlichen Laos aber nur in einer Kombination von Einkommen, Ernährungssicherheit und der Robustheit der Lebensgrundlagen beurteilen – wobei der Besitz von Nutztieren eine entscheidende Rolle spielt.»
Ein Dorfbewohner bewacht sein Vieh in der Nähe der Zuckerrohrplantagen in der Provinz Savannakhet.
Nicht alles ist Gold, was glänzt
Wie aber sieht das Verhältnis von Landdeals und Wohlstand unter diesen Bedingungen aus? Um die Frage zu beantworten, hat der Forscher in einer Stichprobe von 294 Dörfern zusätzlich sozial-ökologische Daten und Interviews mit Dorfbewohner*innen ausgewertet, die von Landdeals betroffen sind.
Und hier zeigt sich, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Seit die Investoren auf dem konzessionierten Land ihre Aktivitäten aufnahmen, stieg das Einkommen zwar in fast zwei Dritteln der untersuchten Dörfer (Karte 1 unten). Aber gleichzeitig nahm in rund zwei Dritteln die Viehhaltung ab (Karte 2 unten). Die Ernährungssicherheit blieb in 40 Prozent der Dörfer unverändert, in 42 Prozent nahm sie ab und nur in 17 Prozent zu.
Verlust von Lebensgrundlagen
Darüber hinaus verzeichneten im Zuge der Landdeals 68 Prozent der Dörfer klare Verluste punkto Lebensgrundlagen. Dazu zählen Acker- und Weideland sowie der Zugang zu Waldressourcen wie Holz, Früchte, Tiere und Medizinalpflanzen. «Gerade für die ärmsten Bevölkerungsteile sind der Wald und seine Produkte aber überlebenswichtig», gibt Vong Nanhthavong zu bedenken.
Ferner klagte über die Hälfte der Dörfer, sie verfügten nur noch eingeschränkt über Wasser für ihre landwirtschaftlichen Tätigkeiten. Das zieht die nötige Bewässerung der traditionellen Reisfelder in Mitleidenschaft. Unter dem Strich blieben gerade mal 11 Prozent der untersuchten Dörfer von Veränderungen bei den natürlichen Lebensgrundlagen verschont (Karte unten).
Lohnarbeit statt ressourcenbasierte Einkünfte
All das liesse sich allenfalls noch als Übergangserscheinung erklären – zumal Laos, im Einklang mit der Weltbank und einigen Entwicklungsökonomen, ein klares Ziel anstrebt: den Wandel von der Subsistenz- zur marktorientierten Landwirtschaft. Sprich, der Sektor soll modernisiert und industrialisiert werden. Für die Bäuerinnen und Bauern, die das Land bisher in Kleinstparzellen bewirtschafteten und so ihre Existenz sicherten, heisst das: Sie werden zu Lohnarbeiter*innen von Plantagenbesitzern.
Die Arbeitenden werden am Ende des Tages bezahlt, Provinz Sekong.
Die Regierung macht Vorgaben für Investoren…
Damit sich die armutsmindernden Ziele für die laotische Landbevölkerung verwirklichen lassen, deckelte die Regierung die Zahl der ausländischen Gastarbeiter. Pro Landdeal dürfen maximal 5 Prozent der Jobs mit körperlicher Arbeit an ausländische Arbeitskräfte vergeben werden – und höchstens 25 Prozent der Jobs in Management und technischer Expertise. Last but not least sind die Investoren auch verpflichtet, die lokale Bevölkerung auszubilden, damit diese den technischen Anforderungen der Arbeit genügen.
…die sich oft als Makulatur erweisen
In der Praxis entpuppen sich die vertraglichen Abmachungen jedoch oft als Papiertiger, wie Vong Nanhthavongs detaillierte Untersuchungen ergaben. Nicht nur die Schulungen jener, die ihr Ackerland für einen Deal aufgeben mussten, ist in den untersuchten Dörfern mehrheitlich Makulatur (für Vollansicht auf die Grafik klicken).
Insbesondere ausländische Unternehmen, die in mehrjährige Kulturen wie Kautschuk, Faserholz oder Kaffee investierten, stellten für technische Beratung und Management (mit 43 bis zu 69 Prozent) deutlich mehr ausländische Arbeitskräfte an als die von der Regierung zugelassenen Kontingente. Und die laotischen Investoren wiederum schufen primär Jobs für ihre eigenen Familienmitglieder statt für die lokale Bevölkerung.
Art der erhaltenen Schulungen
«In mehr als einem Drittel der untersuchten Dörfer wurden die ehemaligen Landnutzenden sowohl vom Land vertrieben, als auch von den Möglichkeiten auf Lohnarbeit ausgeschlossen, welche die Landdeals geschaffen haben», bilanziert Vong Nanhthavong.
Pflanzung von Eukalyptus-Setzlingen in einem frisch gerodeten Wald in der Provinz Khammouan
Die Nachteile überwiegen
Immerhin verblieben auch so noch die besagten 26’000 geschaffenen Jobs, die den betroffenen Bäuerinnen und Bauern offenstanden. Dabei handelt es sich zu rund 90 Prozent um saisonale und wenig qualifizierte Tätigkeiten wie Roden, Ausheben von Löchern, Anpflanzen und Jäten.
«Viele davon bieten keine längerfristige Perspektiven, da sie oft nur dazu dienen, eine Plantage vorzubereiten und einzurichten. Ein beträchtlicher Teil der operativen Tätigkeiten – wie die Erntearbeit – wurde hingegen an Wanderarbeiter*innen aus den Investorenländern vergeben», erläutert Vong Nanhthavong.
Mehr noch: Während die laotischen Bäuerinnen und Bauern oft unter dem nationalen Mindestlohn arbeiten, wird spezialisierten Wanderarbeitern unter Umständen eine besser bezahlte Stelle als Manager oder Experte angeboten.
Die meisten Landdeals, kommt der Wissenschaftler zum Schluss, hätten die Situation der lokalen Bevölkerung prekärer gemacht.
Einzig in den wenigen Dörfern, in denen die Landkonzessionen nicht zum Verlust von individuellem Ackerland führte und der Zugang zu den natürlichen Ressourcen erhalten blieb, konnten die Bäuerinnen und Bauern ihren traditionellen Lebensunterhalt aufrechterhalten.
Landrechte – Voraussetzung für mehr Wohlstand
«In solchen Fällen können die neuen Arbeitsplätze zu einer wichtigen Quelle für Bargeldeinnahmen werden. Doch sie alleine vermögen den Wohlstand nicht zu steigern.» Vielmehr sei es zentral, die Landnutzungsrechte der lokalen Bevölkerung abzusichern. Diese seien eine wesentliche Voraussetzung für mehr Wohlstand.
Eine wichtige Rolle wird dabei allgemein internationalen Verhaltenskodizes beigemessen, welche die Landrechte der Betroffenen schützen und nachteilige Auswirkungen von Landdeals auf deren Lebensgrundlagen verhindern sollen. Einer der bekanntesten davon ist das Recht auf freie, vorherige und informierte Zustimmung zu Landdeals (FPIC), den die Welternährungsorganisation FAO fördert.
Partizipative Kartierung von erschlossenen Konzessionsgebieten, Provinz Khammouan.
Mitsprache nicht nur in der Genehmigungsphase sicherstellen
«Diese Grundsätze ermöglichen Konsultations-Verfahren auf Gemeindeebene – und in ein paar Fällen konnten die betroffenen Dorfbewohner tatsächlich die Landzuteilung sowie einige wirtschaftliche Vorteile aushandeln», weiss Vong Nanhthavong. Allerdings hätten seine Untersuchungen auch gezeigt, dass FPIC per se noch keine positiven Ergebnisse garantiere.
«Ein Landdeal kann während der Startphase positive Wirkungen entfalten, sich dann im Verlauf des Betriebs aber als negativ erweisen», erklärt der Wissenschaftler. Umso wichtiger sei es, mit FPIC sicherzustellen, dass die lokalen Gemeinschaften nicht nur in der Genehmigungsphase, sondern während der gesamten Laufzeit eines Landdeals Mitspracherecht haben.
Neu angelegte Kautschukplantage entlang des Mekong, Provinz Luang Namtha
Weitere Informationen
Wissenschaftliche Veröffentlichungen von Vong Nanhthavong et al:
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