Niedersachsen im 2% Windenergieausbau
GIS-basierte Potentialanalyse und webgestützte Visualisierung für Windenergieanlagen unter Maßgabe des 2% Ausbauziels in Niedersachsen

Hintergrund der Analyse
Die Energiewende in Deutschland hat in den letzten Jahren einen starken Fokus auf die Nutzung erneuerbarer Energien gelegt, insbesondere auf die Nutzung von Windenergie. Dies resultiert zum einem aus dem langfristigen Ziel des Klimaschutzgesetzes , bis zum Jahr 2045 Treibhausgasneutralität zu erreichen und daraus folgend den Strombedarf im Jahr 2035 überwiegend aus erneuerbaren Energien zu decken. Des Weiteren bezieht sich der aktuelle Fokus nicht nur auf den dargestellten klimapolitischen Hintergrund, denn durch den Krieg in der Ukraine, welcher seit Frühjahr 2022 die hohe Bedeutung von unabhängiger Energieversorgung verdeutlicht, rücken die geopolitischen und ökonomischen Ziele immer weiter in den Vordergrund.
Die Bedeutung der Windenergie und der Ausbau Erneuerbarer Energien insgesamt ist heute dringlicher und wichtiger denn je. Eine beschleunigte Energiewende ist das A und O für eine sichere und nachhaltige Energieversorgung [...]. Daran müssen wir mit ganzer Kraft arbeiten und den Ausbau Erneuerbaren Energien deutlich beschleunigen. - Robert Harbeck
Gemäß der Ansprache von Robert Harbeck , dem derzeitigen Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, auf der Windenergiemesse „WindEnergy-Hamburg“ im September 2022 ist die Reaktion auf die bestehende Energiekrise, eine massive Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien. Der Windenergie an Land kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Durch eine Reihe von Gesetzesänderungen im Jahr 2022, auch als Osterpaket bekannt, wurde die Beschleunigung des Ausbaues von Windenergieanlagen gesetzlich verankert. Das neu aufgesetzte EEG als Teil der Pakete sieht einen starken Anstieg der installierten Leistung von Windenergieanlagen (WEA) an Land vor. Zum Beispiel soll das Leistungspotenzial von aktuell 58 GW auf 160 GW bis zum Jahr 2040 steigen. Dies entspricht einer Erhöhung von mindestens 10 GW im Jahr. Damit ist der erwünschte jährliche Zubau etwa doppelt so hoch wie der Zubau im bisherigen Rekordjahr 2017 , wo der brutto Zubau bei 5,3 GW Leistung lag.
Diese Ziele sind nur erreichbar, wenn genügend Flächen für die Errichtung von WEA zur Verfügung stehen. Um dies sicherzustellen, hat die Bundesregierung mit dem Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) das Ziel gesetzt, 2 % der Landesflächen für die Windenergie an Land zur Verfügung zu stellen. Als Bundesland mit dem größten Windanlagenausbau in Deutschland, ist Niedersachsen zudem gesetzlich verpflichtet einen höheren Anteil der Landesfläche für WEA bereitzustellen, welcher 2,2 % der Landesfläche bis 2032 umfasst. Um die Flächenziele bis 2032 zu erreichen, erfordert es jedoch eine sorgfältige Planung und Untersuchung der Flächenpotenziale.
Um der Frage nachzugehen, ob die Nachfrage an Flächen gedeckt werden kann und das zwei Prozent Ausbauziel in Niedersachsen zu erreichen ist, wurde eine GIS-basierte Potentialanalyse auf Landesebene durchgeführt. Dazu wurde zuerst eine Potentialanalyse durchgeführt und um jedoch aktuelle Veränderungen hinsichtlich Abständen zu WEA mit einzubeziehen, werden mehrere Potentialflächen analysiert und als Szenarien definiert.
Übersicht
Im Rahmen der Arbeit, wird der Vorgang der Potentialanalyse anhand von Graphiken in drei Schritten beschrieben. Danach folgt eine Darstellung der Ergebnisse der Szenarien.
Aufbau der Potentialanalyse
1. Schritt: Definition des Untersuchungsgebiets
Niedersachsen mit WEA im Betrieb
Zunächst muss das Untersuchungsgebiet festgelegt werden, in dem die Flächenpotentialanalyse durchgeführt werden soll. Dies kann entweder eine bestimmte Region oder ein gesamtes Bundesland sein. In diesem Fall wird Niedersachsen als Untersuchungsgebiet definiert. Bisher stehen 0,5 % der Landesfläche vorrangig für WEA zur Verfügung. In der Karte auf der rechten Seite sind WEA in Niedersachsen (Stand 2019) abgebildet.
2. Schritt: Identifikation der Ausschlusskriterien
Als nächstes werden Flächen im Untersuchungsgebiet bestimmt, die aufgrund von physikalischen oder gesetzlichen Vorschriften für die Errichtung von WEA ungeeignet sind. Diese Flächen werden als Ausschlusskriterien bezeichnet und umfassen z.B. ökologisch geschützte Flächen oder bereits bebaute Flächen wie Straßen und Industriegebiete.
Im Folgendem werden die Haupt Ausschlusskategorien die für WEA von Belangen sind vorgestellt:
Siedlungsbereiche
Der Schutzbedarf von Wohngebieten, Versorgungsflächen und Industrie- sowie Gewerbegebieten verbraucht zwischen 60 - 80 % der Fläche in Niedersachsen. Diese Fläche wird für den Bau von WEA als Ausschlussfläche definiert. Die gesetzliche Grundlage befindet sich im Baugesetzbuch (BauGB). Beispielsweise ist in § 249 BauGB definiert, das WEA mindestens "2H" entfernt von Wohngebäuden stehen müssen, sodass eine bedrängende Wirkung gegenüber den Einwohner ausgeschlossen werden kann. "2H" beutetet, dass ein Abstand von zweimal der Gesamthöhe der WEA zu dem jeweiligen Kriterium, in diesem Fall Wohngebäuden, eingehalten werden muss.
Zudem gibt es Unterschiede in der Entfernung zu WEA zwischen Wohngebäuden die im Innenbereich einer Ortschaft liegen und welchen die in einem Wohnbaugebiet außerhalb einer geschlossenen Ortschaft liegen (Außenbereich). WEA müssen mindestens 3H entfernt von Wohngebäuden aus dem Innenbereich liegen, wobei die höhere Entfernung an Lärmschutzmaßnahmen gebunden ist. Die Abstände zum Innenbereich sind in der linken Karte abgebildet.
Zu Wohngebäuden im Außenbereich muss gesetzlich ein Abstand von 2H eingehalten werden. Um den Unterschied zu sehen, kann auf den folgenden Link die Wohnbebauung im Außenbereich ausgewählt werden.
Infrastruktur
Im Gegensatz zu den Siedlungsgebieten, besteht in der Flächenkategorie Infrastruktur nur ein Flächenbedarf von ca. 20 % der Landesfläche. Die Kategorie beinhaltet Bereiche die durch den Flug-, Bahn- oder Strassenverkehr belegt werden. Zudem werden auch Freileitungen in diesem Abschnitt betrachtet.
Die Abstände zu WEA werden in diesem Fall durch gesetzliche Bauverbotszonen beispielsweise dem Fernstraßengesetz festgelegt. Allgemein dürfen keine Hochbauten in einer Entfernung von 40 m längs einer Bundesautobahn errichtet werden. Die durchschnittlich errichtete WEA beträgt zur Zeit in Niedersachsen 225 m, womit diese eindeutig zu der Kategorie Hochbauten zählt.
Ökologie
WEA stehen im allgemeinen im Konflikt mit den Anforderungen des Landschafts- und Naturschutzes, sowie dem Artenschutz. Die Debatte ob der Naturschutz über dem Klimaschutz stehen sollte oder anderes rum, ist seit Jahren im Diskurs .
Im Bundesnaturschutzgesetz ist definiert, welchen Gebieten ein besonderer Schutzzweck zugeschrieben ist. In den meisten Schutzzwecken ist impliziert, dass alle Handlungen, die zur Veränderung oder Zerstörung des Gebietes führen würde, unzulässig sind. Somit schließt das Verbot den Bau von WEA ein. In der linke Karte sind Natura-2000 Gebiete, Naturschutzgebiete, Naturdenkmale, Landschaftsschutzgebiete, Waldgebiete, Sümpfe und Moore, sowie Großschutzgebiete welche das Wattenmeer, den Harz und die Elbtalaue beinhalten, abgebildet.
Nach dem Flächenbedarf der Siedlungsgebiete, haben die ökologischen Kriterien den zweihöchsten Flächenbedarf mit 47,2 % der Landesfläche.
Gewässer
Gewässer werden aus baulichen und Gewässerschutz Gründen nicht als Potential für WEA betrachtet. Die Flächenkategorie Gewässer beinhaltet gemäß dem Wasserhaushaltsgesetz, Gewässer der 1. und 2. Ordnung. Das bedeutet, dass Gewässer wegen ihrer erheblichen Bedeutung für die Wasserwirtschaft (1. Ordnung) und wegen ihrer überörtlichen Bedeutung für den Unterhaltungsverband (2. Ordnung) geschützt werden müssen. Zudem werden Wasserschutzgebiete, welche beispielsweise dem Trinkwasser dienen, sowie Überschwemmungsgebiete betrachtet. Übrigens: Ein Überschwemmungsgebiet ist festzulegen, wenn ein Hochwasserereignis statistisch einmal in 100 Jahren zu erwarten ist.
Die Flächen die in der linken Graphik angezeigt werden betragen einen Flächenbedarf von 12,8 % der Landesfläche.
D/ VOR-Anlagen
Weiterführend können auch andere Anlagen für einem unzulässiges Bauvorhaben von WEA führen. Als Beispiel werden die Funktnavigationssysteme für den Luftverkehr betrachten. Diese Systeme werden in zwei Arten gegliedert. Zum einen VOR-Anlagen (Very High Frequency Omnidirectional Radio Range) und anderen DVOR-Anlagen (Doppler-VOR), welche über eine verringerte Störanfälligkeit verfügen. Mithilfe dieser Geräte können sich Luftfahrzeuge an den Standorten der D/VOR-Anlagen im Luftverkehr orientieren. Allgemein dürfen in einem Umkreis von 3 km expliziert keine WEA errichtet werden. Zudem ist ein Schutzabstand von 15 km zu DVOR-Anlagen und 10 km zu VOR-Anlagen gemäß des Luftverkehrsgesetzes einzuhalten. Dies betrifft fünf DVOR- und eine VOR-Anlage in Niedersachsen und Bremen.
Auf Grundlage von neuen Forschungskenntnissen bezüglich geringere Störwirkung durch WEA, der Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), werden seit 2020 die einzelnen DVOR-Anlagen untersucht, um festzustellen ob eine Reduzierung der Mindestabstände von 15 km auf 7 km erfolgen kann. Bis zum Dezember 2022 wurden vier der fünf DVOR-Anlagen reduziert. Diese Verkleinerung der Abstände zu WEA wird in der rechten Kartenhälfte angezeigt. Mit dem Schieberegler ist es möglich, den Unterschied der Regelungen genauer zu betrachten.
Ein aktueller Stand der Schutzabstände ist auf der Seite der deutschen Flugsicherung zu finden.
3. Schritt: Identifikation von Potentialgebieten
Die Flächen, die nach Abzug der Kriterien übrig bleiben, werden als Potentialgebiete bezeichnet. Zudem ist es sinnvoll Annahmen zu treffen, um zu spezifischen Potentialflächen zu gelangen. Eine solche Annahme kann beispielsweise die Berücksichtigung einer Konzentrationswirkung von WEA sein. Indem man eine Mindestgröße für Potentialflächen festlegt, kann dafür gesorgt werden, dass die WEA in größeren, zusammenhängenden Flächen errichtet werden. Dadurch kann man sicherstellen, dass die WEA in einer Abstandsregelung zueinander errichtet werden und die Auswirkungen auf die Umwelt minimiert werden.
Ergebnisse
Gemäß dem Vorgang der Potentialanalyse bilden die verbleibenden Flächen die Potentialgebiete welche auf das 2 % Ausbauziel angerechnet werden können. Zunächst wird das Referenzszenario präsentiert, welches die Grundlage für die untersuchten Szenarien bildet.
Referenzszenario
Das Referenzszenario stellt die aktuelle Situation dar, unter Berücksichtigung der bereits bestehenden Regelungen und Vorgaben für die Raumplanung von WEA in Niedersachsen. Das Referenzszenario dient somit als Vergleichspunkt für die Ergebnisse der weiteren Szenarien, um die Auswirkungen der unterschiedlichen Kriterien auf das Flächenpotential für WEA zu ermitteln. In Bezug auf die Ergebnisse des Referenzszenarios ist es relevant zu betonen, dass es sich hierbei um eine annähend realistische Darstellung der derzeitigen Situation handelt und nicht um eine optimale Lösung.
Szenarien Karte
Szenarien
Eine Analyse von unterschiedlichen Szenarien ist von großer Bedeutung, um die Auswirkungen verschiedener Faktoren auf die Nutzung von Windenergie zu verstehen. Durch die Betrachtung von Szenarien, die sich beispielsweise in dem Abstand zur Wohnbebauung, dem Ausschluss von Landschaftsschutzgebieten und der Mindestfläche unterscheiden, kann die Auswirkung jeder dieser Faktoren auf die Gesamtergebnisse der Windenergienutzung genau untersucht werden. In dieser Arbeit wurden mehrere Szenarien entwickelt, um die Auswirkungen der verschiedenen Faktoren auf die Nutzung von Windenergie in Niedersachsen zu untersuchen:
Fazit
In dieser Arbeit wurde eine GIS-basierte Potentialanalyse und webgestützte Visualisierung für WEA unter Maßgabe des 2%-Ausbauziels in Niedersachsen durchgeführt. Das Ziel der Studie war es, mögliche Flächenpotentiale für die Errichtung von WEA zu identifizieren und zu visualisieren und diese unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien und Kombinationen von Ausschlusskriterien zu vergleichen.
Es lässt sich feststellen, dass die Ergebnisse ein klares Bild darüber liefern, welche Potentialflächen für die Errichtung von WEA in Frage kommen, sodass das 2% Ausbauziel erreicht wird und welche Auswirkungen verschiedene Szenarien und Kombinationen von Ausschlusskriterien auf das ermittelte Potential haben. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass diese Arbeit auf einer Reihe von Annahmen basiert, wie zum Beispiel den Abständen in den jeweiligen Flächenkategorien, den ausgewählten Szenarien und den öffentlich zugänglichen Geodaten. Zudem erreichen nicht alle Szenarien das Potential von 2 % bzw. 2,2 % der niedersächsischen Landesfläche. Die Ergebnisse sollten daher als Annäherung an das mögliche Flächenpotenzial betrachtet werden und stellen eine möglichst realistische Schätzung des WEA-Potentials an Standorten in Niedersachsen dar.