Der lange Weg einer Jeans
Jeder kennt sie und auch fast jeder hat sie: "die Jeans". Auf dem Weg von Baumwolle bis zum fertigen Endprodukt reist diese durch die Welt.
Jeder kennt sie und auch fast jeder hat sie: "die Jeans". Auf dem Weg von Baumwolle bis zum fertigen Endprodukt reist diese durch die Welt.
Von warmen Ländern, wo Baumwolle angepflanzt wird, über Länder mit billigen Arbeitskräften, wo die Produktion stattfindet, bis hin zu den reichen Industrienationen, wo das Produkt gekauft wird. Grob gesagt sind dies die wichtigsten Stationen, welche die Jeanshose hinter sich hat, bis sie in unserem Kleiderschrank liegt und darauf wartet getragen zu werden. Man erkennt, dass ohne ein globales Zusammenspiel, also die Globalisierung, die Jeanshosen-Produktion nicht in dieser Art und Weise passieren würde.
„Kaum ein Thema wird so intensiv und kontrovers diskutiert wie die Globalisierung.“ (https://www.bpb.de)
Doch was ist die Globalisierung eigentlich? Globalisierung ist ein Prozess, welcher die ganze Welt verknüpft und die verschiedenen Arbeitsschritte eines Produktes weltweit auf mehrere Stationen aufteilt. Das Phänomen der Globalisierung ermöglicht einen wirtschaftlichen Wachstum mit vielen Profiteuren, führt jedoch leider auch dazu, dass zahlreiche Menschen leiden, ausgenommen und geschädigt werden. Genau so wie zahlreiche Menschen wird häufig auch unsere Umwelt dabei zerstört.
Doch ist eine „Win-win-Globalisierung“ ohne Ausbeutung und negative ökologische Effekte überhaupt möglich? Mit ihren verschiedenen, über den Globus verteilten Produktionsstationen stellt die Jeans ein typisches Produkt der Globalisierung dar. Lässt sich dieser Produktionsprozess rechtfertigen? Um diese Frage zu beantworten, wird im Folgenden der Produktionsweg der Jeans genauer unter die Lupe genommen und eine Fairnessanalyse durchgeführt.
Überblick des Produktionswegs einer Jeans
Die Reise einer Jeans | Fair Fashion & Lifestyle | rethinknation
Die Jeans besteht hauptsächlich aus der in der Textilindustrie am häufigsten verwendeten Naturfaser Baumwolle. Diese ist pflegeleicht, wasch- sowie färbbar und hat ein sehr niedriges Allergierisiko. Ausser Baumwolle werden heutzutage zur Steigerung des Tragekomforts häufig auch die Kunstfasern Polyester oder Elasthan verwendet. Polyester wird aus Erdöl gewonnen, ist reissfest und speichert nur wenig Feuchtigkeit. Es lässt sich gut einfärben und leicht verarbeiten. Elasthan wird Stoffen beigemischt, um ihnen Elastizität zu verleihen. Natürlich dürfen auch Knöpfe, Nieten und Reissverschlüsse nicht fehlen. Um der Jeans die klassische blaue Farbe zu verleihen, wird der künstliche Farbstoff Indigo verwendet. Die chemischen Bestandteile Polyester, Elasthan und der Indigo-Farbstoff werden hauptsächlich in Industrieländern produziert. Das Gleiche gilt für die Knöpfe, Nieten und Reissverschlüsse. In diesen Ländern können die Angestellten ihre Arbeit meist unter relativ guten Arbeitsbedingungen verrichten.
Ganz anders sieht dies bei der Baumwollproduktion aus. Die Baumwolle wächst in über 80 Ländern in den tropischen und subtropischen Gebieten dieser Welt. Die grössten Produzenten dabei sind Indien, China, USA, Brasilien, Kasachstan und die Länder der Subsahara Afrikas. Am besten gedeiht Baumwolle unter tropischen und subtropischen Bedingungen. Rund um den Globus werden die Pflanzen daher in entsprechenden Regionen angepflanzt. Man spricht aufgrund der Lage auch vom Baumwollgürtel.
Karte der Anbauregionen von Baumwolle: Quelle Baumwolle
In manchen Ländern wird der Baumwollanbau subventioniert, wie z.B. in den USA. In den meisten Ländern jedoch gibt es keine Subventionierung und die Bauern sind auf sich alleine gestellt. Der wirtschaftliche Druck ist dadurch immens und die Bauern in den Entwicklungsländern sind kaum konkurrenzfähig.
Grundsätzlich gibt es drei Arten von Baumwollanbau: den traditionellen, den konventionellen (industriellen) und den Bio-Anbau. Der traditionelle Anbau, bei dem fast alles mit der Hand angebaut und geerntet wird, existiert nur noch in einigen Regionen Afrikas. Im Kontrast zum traditionellen steht der konventionelle Anbau. Dabei werden grosse Maschinen eingesetzt, u. a. Flugzeuge, um Pestizide zu versprühen. Baumwolle wird als Monokultur angebaut, wodurch ein hoher Schädlingsbefall entsteht, der Unmengen an Pestiziden notwendig macht. Nebst den bekannten negativen Folgen für die Umwelt sind die Pestizide in der Regel auch für den Menschen sehr giftig. Dies wird besonders dann problematisch, wenn die Pestizide von Hand verteilt werden, weil die Maschinen dazu fehlen. Durch die fortgeschrittene Globalisierung ist dies in vielen armen Regionen dieser Welt notwendig. Saatgut aus den USA ist auf amerikanische Bedingungen angepasst, was zum Beispiel einen hohen Wasserbedarf mit sich bringt. Um den Profit zu steigern, wird dieses Saatgut aber weltweit verkauft und eingesetzt.
Konventioneller Baumwollanbau: Quelle Meier-Magazin
Gegenwärtig stammen mehr als zwei Drittel der weltweit verwendeten Baumwolle von gentechnisch modifizierten Pflanzen (Bt-Baumwolle), welche durch die Globalisierung ebenfalls weltweit angebaut werden. Durch die Bt-Baumwolle werden die Schädlinge immer resistenter. Auch kleine Bauern sind gezwungen Bt-Saatgut zu verwenden, obwohl es einige Probleme mit diesem Saatgut gibt. Einerseits ist es vier- bis sechsmal so teuer und andererseits nicht fortpflanzungsfähig. Kleinbauern werden abermals vor eine grosse finanzielle Herausforderung gestellt.
Als dritte Anbauart gibt es noch den kontrollierten biologischen Anbau von Baumwolle, welcher sehr viele Vorteile mit sich bringt. Kurz gesagt erhöht er die Biodiversität und schont die Umwelt. Darüber hinaus verbessert er Einkommen und soziale Stellung der Bauern und Bäuerinnen. Aber auch er gerät durch die Bt-Baumwolle immer mehr unter Druck. Bio-Baumwolle darf bekanntlich keine Genveränderung aufweisen. Dies kann durch den Genfluss unter den Pflanzen jedoch unbeabsichtigt passieren. Eine ausführliche Rangliste von Unternehmen zur Verwendung von nachhaltiger Baumwolle finden Sie hier: https://sustainablecottonranking.org/ .
Baumwollplantage: Quelle Naturschutz.ch
Jeansproduktion in Xintang: Quelle Prosieben
Die Verarbeitung und die Produktion einer Jeans erfolgt in vielen, arbeitsteiligen Schritten, wie aus der kurzen Zusammenfassung ersichtlich geworden ist. An rund sieben unterschiedlichen Orten der Welt wird die Hose verarbeitet und produziert. Exemplarisch stellen wir nun die Problematik des Prozesses anhand des intensivsten Schrittes im Produktionsprozess dar: das finale Zusammennähen einer Jeans.
Die meisten Jeans werden in Xintang, der sogenannten Jeanshauptstadt in China, zusammengenäht. Unzählige Industriegebäude stehen hier nebeneinander, in denen Abertausende von Arbeitern und Arbeiterinnen sitzen. Jeder und jede Einzelne hat hier seine / ihre individuelle Aufgabe, wie z. B. eine Gesässtasche annähen oder die Nieten an die Jeans anbringen. Die Jeans gleitet so durch viele Hände und wird dabei immer weiter vervollständigt, bis am Schluss die fertige Hose mit Taschen, Knöpfen und Reissverschluss entstanden ist.
Die Menschen, welche in diesen Fabriken arbeiten, kommen oft aus ärmeren Verhältnissen und versuchen so ihr tägliches Brot zu verdienen. Darunter befinden sich auch Kinder, welche kein Geld für die Schule haben und für die Familie und das Überleben mitverdienen müssen. Sie arbeiten bis zu 16 Stunden pro Tag, mit wenig Pausen und erhalten knapp 100-200 Franken im Monat, was ca. 4'000 Franken weniger als das durchschnittliche Einkommen eines Schweizer Schneiders ist. In menschenverachtenden Arbeitsverhältnissen nähen bis zu 700'000 Angestellte Jeans im Akkord für die heile Welt im Westen. Jedoch ist das nicht das einzige Problem der Arbeiter in Xintang.
Bei gewissen Jeans werden die Hosen nach dem Zusammennähen auch dort noch zusätzlich veredelt, sprich dem sogenannten «stone-washed»-Effekt unterzogen. In Xintang werden dazu Sandstrahler oder Bleichmittel und Lavasteine verwendet. Bei diesen Verfahren sind hochgiftige Mittel im Einsatz, die eine lebensbedrohliche Gefahr für die Arbeiter und Arbeiterinnen darstellen, da die Sicherheitsvorkehrungen mangelhaft sind. Gesetzliche Grundlagen für Gesundheit am Arbeitsplatz, wie sie in Europa Anwendung finden, gibt es nicht. Die meisten in diesen Fabriken beschäftigten Arbeiterinnen und Arbeiter sind aber so sehr auf das klägliche Einkommen angewiesen, dass ihnen nichts anderes übrigbleibt, als sich den Gefahren der Chemikalien auszusetzen. Beschwerden über die lebensbedrohlichen Arbeitsbedingungen könnten aufgrund des fehlenden Arbeitsrechtes zu direktem Jobverlust führen.
Da die Chemikalien giftig für uns sind, liegt es nahe, dass die Umwelt ebenso darunter leidet. Das Abwasser der Fabriken ist mit Schwermetallen verseucht, welche sich über Flüsse rasch in die Umwelt verbreiten. Das ganze Ökosystem im Bereich eines vergifteten Flusses wird in Mitleidenschaft gezogen, was zu einer Reduktion der Artenvielfalt durch Pflanzen- und Tiersterben führt. Indirekt ist auch hier die Gesundheit des Menschen gefährdet, da über die Nahrung Schadstoffe in den Organismus aufgenommen werden.
Um die Fairness-Analyse zu vervollständigen und die Situation der Näher und Näherinnen zu verdeutlichen, kann man sich den prozentualen Anteil des Preises einer Jeans, welcher für die Arbeitskräfte eingesetzt wird, ansehen. Dieser liegt nämlich nur bei 1%, was einen Bruchteil des Gesamtgewinnes ausmacht.
Abbildung eines Jeansgeschäftes: Quelle Pinterest
Nach der Fertigstellung der Jeans wird diese von verschiedenen Unternehmungen an Mann und Frau gebracht. Der Sektor des Vertriebs kann in zwei Teilbereiche aufgespalten werden:
In die Markenfirmen, welche die Jeans vermarkten, entwickeln und designen sowie den Einzelhandel, welcher für den Verkauf im jeweiligen Land bzw. in der jeweiligen Stadt zuständig ist. Firmen in diesem Sektor (Vertrieb) haben eine enorme Macht über den ganzen Herstellungsprozess von der Produktion bis hin zum Verkauf. Dieses sogenannte Machtmonopol spiegelt sich auch in den reinen Gewinnzahlen wider. Der Vertrieb kassiert einen Anteil von rund 75 Prozent der gesamten Einnahmen. Die Markenfirma macht dabei einen prozentualen Verdienst von 25 Prozent und der Einzelhandel kassiert die restlichen 50 Prozent, wobei hier auch Kosten für Verkaufspersonal, Ladenmiete und Verwaltung anfallen. Die Gewinnspanne ist enorm gross.
Macht man eine Fairnessanalyse nur in Bezug auf diesen Teilbereich des Vertriebs in der Jeansproduktion, kann man grundsätzlich sagen, dass hier faire Bedingungen herrschen. Armut und Ausbeutung sind in diesem Sektor eher selten anzutreffen, da der Vertrieb in wohlhabenderen Länden mit Schutz für die Angestellten von Statten geht. Der Schutz ist mittels Grundrechten und strengen Richtlinien gewährleistet, welche vom Staat vorgeschrieben werden. Zudem gibt es auch unterschiedliche Gewerkschaften, welche sich für das Wohlbefinden der am Vertrieb Beteiligten einsetzen.
Die Problematiken der Globalisierung liegen auf den ersten Blick nicht im Teilbereich der Vermarktung. Erweitert man den Blickwinkel und vergleicht den Vertrieb mit der Produktion und der Rohstoffherstellung, wird einem allerdings schnell klar, dass ein Machtmonopol ausgenutzt wird, um hohe Gewinne für das eigene Unternehmen zu erwirtschaften. Dies geschieht zum Beispiel durch die Festlegung von Löhnen, die unter dem Existenzminimum liegen.
Schlussfolgernd kann man somit sagen, dass es in diesem Zweig der Produktion zwar mit fairen Dingen zugeht, der Vertrieb aber für die missliche Lage in den anderen Teilbereichen verantwortlich ist.
Die Jeansproduktion stellt eine extreme Belastung für unsere Umwelt dar. Durch die Tausenden von Transportkilometern bedarf es eines enormen Verbrauchs von Erdöl, welcher mit einer grossen Menge an CO2-Ausstoss verbunden ist. In der Rohstoffherstellung werden ausserdem gewaltige Mengen an Wasser für die Bewässerung der Baumwolle benötigt. Nicht zu vernachlässigen sind die eingesetzten Chemikalien, die Luft und Böden verseuchen und dadurch ins Grundwasser gelangen.
Nebst den Umweltverschmutzungen bringt die Jeansproduktion auch zahlreiche negative soziale Aspekte mit sich: Kinderarbeit und ungesunde Arbeitsbedingungen sind traurige Realität. Um möglichst hohe Gewinne für den Handel zu erzielen, werden die Produktionskosten und die damit verbundenen Gehälter so niedrig wie möglich gehalten. Dadurch leiden natürlich die Arbeitenden auf den Baumwollplantagen und in den Produktionsfirmen. Das alles ist die besorgniserregende Realität, doch wie könnte dies nun verhindert werden?
Die Lösung des Problems liegt in der Hand der Endkonsumenten. Mit ihrem Kaufverhalten können sie den ganzen Markt der Jeansproduktion beeinflussen und Veränderungen herbeiführen. Deswegen lohnt es sich, sich als Käufer mit nachhaltiger Mode auseinanderzusetzen. Heutzutage ist das Angebot an nachhaltig und fair produzierten Jeanshosen sehr gross und es ist für jeden etwas dabei. Ein Beispiel für eine solche nachhaltig produzierende schwedische Firma ist Nudie Jeans. Nudie Jeans produziert Jeans aus Bio-Baumwolle. Diese werden ohne giftige Chemikalien und Gentechniken angebaut und mittels Wasser und energiesparenden Methoden wird unnötige Verschwendung verhindert. Nebst den ökologischen Aspekten, welche berücksichtigt werden, wird auch dafür gesorgt, dass die Produktion unter fairen Bedingungen stattfindet. Allen Beteiligten werden gerechte Löhne gezahlt und mehr Produktionsschritte passieren innerhalb Europas, um den CO2-Ausstoss zu verringern. Allerdings muss der Endkonsument auch bereit sein, für solch ein nachhaltige Produkt etwas mehr zu bezahlen.
Fair produzierte Jeans der Firma Nudie Jeans: Quelle Fair Fashion Jeans
Eine weitere Methode, um Nachhaltigkeit zu unterstützen, liegt darin, die Lebenszeit der Jeans zu verlängern. Schonende Pflege sorgt dafür, dass die beliebte Hose nicht so schnell kaputt geht, sodass man nicht so oft eine neue braucht. Sollte die Jeans trotzdem irgendwann nicht mehr tragbar sein, muss man sie keinesfalls einfach entsorgen. Durch Recycling und Upcycling werden die Hosen so weiterverarbeitet, dass man noch einen Nutzen aus den alten Jeans ziehen kann. Nicht zuletzt sind Secondhand-Jeanshosen eine gute Alternative zu einer neuen Jeans. Der Jeans wird dadurch quasi ein zweites Leben geschenkt.
Dass Nachhaltigkeit im Trend liegt, zeigt sich im Marketing vieler Firmen. Das Kundenverhalten hat dazu geführt, dass grosse Unternehmen diesen Trend aufnehmen und vermehrt auf Nachhaltigkeit in der Wertschöpfungskette setzen. Zu einem umfassenden Nachhaltigkeitsbegriff gehören neben dem bekannten Fokus auf die Umwelt auch zentral die fairen Produktionsbedingungen im Sinne einer sozialen Nachhaltigkeit.
Fair Fashion - Die nachhaltige und faire Mode durch neue Ideen
Die "Win-win-Globalisierung" ist also kein Phänomen, das unmöglich ist, jedoch wird es die "perfekte" Globalisierung vorerst wohl nicht geben. Grund dafür sind die niedrigen Preise, die die Verbraucher wollen. Alles muss möglichst billig bzw. preiswert sein. Beim Wunsch, das eigene Portemonnaie möglichst wenig zu belasten und grösstmöglichen Eigennutzen zu haben, vergessen viele die Schattenseiten, welche billige Endpreise mit sich bringen. Den Endkonsument*innen muss dies bewusst sein, um ihr Kaufverhalten anzupassen und auf etwas teurere, nachhaltige Produkte zu setzen.