Bewirtschaftungsarrondierung Lötschental
Schweizweites Pilotprojekt erfolgreich abgeschlossen
Die Zerstückelung des Eigentums ist im Walliser Lötschental stark ausgeprägt. Dies geht auf die Realteilung zurück, welche für die Selbstversorgung der Bevölkerung notwendig war und bis heute praktiziert wird. Nach dem 2. Weltkrieg hat ein Strukturwandel in der Landwirtschaft eingesetzt. Der Ackerbau ist inzwischen praktisch verschwunden, die Milchwirtschaft nimmt immer mehr zu Gunsten einer extensiveren Landwirtschaft mit Schmalvieh (Kleinvieh) und Mutterkuhhaltung ab. Für eine wirtschaftliche Nutzung sind die Bewirtschaftungseinheiten zu klein, ungünstig verteilt und schlecht geformt, was einen hohen Zeitaufwand und viele Fahrten zur Folge hat.
Die gesetzlich geregelte Bewirtschaftungsarrondierung (BA) ist schweizweit ein Pilotprojekt. Der Kanton Wallis hat in der Verordnung über die Landwirtschaft und die Entwicklung des ländlichen Raumes vom 20. Juni 2007 die Verfahrensgrundsätze von Pachtlandarrondierungen festgelegt, die hier nun zum ersten Mal zur Anwendung kommen. Anstatt wie bei konventionellen Landumlegungen die Parzellenstruktur und Eigentumsverhältnisse zu ändern, werden bei der BA nur die Bewirtschaftungsverhältnisse angepasst. Sämtliche Grundeigentümer behalten das Eigentum an ihren Flächen. Die Bewirtschaftungsarrondierung begünstigt eine einfachere Bewirtschaftung. Sie ermöglicht eine Rationalisierung des Personal-, Maschinen- und Materialeinsatzes der Bewirtschafter und führt zur Steigerung der Effizienz durch die Senkung des Zeit- und Kostenaufwandes.
Flickenteppich (kleinräumige Bewirtschaftungsflächen)
Beizugsgebiet
Das Beizungsgebiet der BA beinhaltet die landwirtschaftliche Nutzfläche. Es schliesst die Bauzone, das Siedlungsgebiet, den Wald und die unvermessene Fläche aus. Insgesamt umfasst das Beizugsgebiet eine Fläche von rund 682 Hektaren und erstreckt sich über die vier Lötschentaler Gemeinden Kippel, Ferden, Wiler und Blatten (VS).
Übersicht Perimeter der BA Lötschental (blau)
Organisation
Auftraggeberin des Projekts ist die Genossenschaft für die BA Lötschental. Als Präsident der Genossenschaft amtet Daniel Ritler. Der Vorstand setzt sich aus diversen beteiligten Bewirtschafter und Gemeindevertreter zusammen.
Das Verfahren wird durch eine Ausführungskommission begleitet. Deren Mitglieder wurden teilweise direkt durch den Staatsrat ernannt. Die Kommission besteht aus den nachfolgenden vier Mitglieder:
- Martin Leiggener (Präsident)
- Leander Schmidt
- Rolf Schnydrig
- René Heinen.
Seitens Kanton sind diverse Fachstellen im Projekt beteiligt. Federführend ist die Dienststelle für Landwirtschaft, Amt für Strukturverbesserungen , welche personell durch den zuständigen Kreisingenieur Urs Andereggen vertreten ist.
Planungsteam
Die Projekterarbeitung erfolgt durch eine Planergemeinschaft der nachfolgenden Büros:
Planungsteam BA Lötschental
Ackermann+Wernli AG bietet als unabhängiges Büro die ganze Palette an Ingenieur-Dienstleistungen. Von der Geomatik über den Tiefbau zum Landmanagement und der Raumentwicklung. Insbesondere bei komplexen Aufgabenstellungen bietet das Büro massgeschneiderte Lösungen aus einer Hand.
Im vorliegenden Projekt hat A+W AG die Gesamtprojektleitung inne. Vom Vorprojekt bis zum Antritt des Neuen Bestandes begleitete Robert Wernli, Dipl. Kulturingenieur ETH/SIA und pat. Ingenieur-Geometer das Projekt als Gesamtprojektleiter.
Die Verfahrensschritte des Alten Bestandes / Bonitierung, wie auch die Neuzuteilung begleitete Reto Ribolla, MSc. UZH in Geographie / CAS ETH in Raumplanung sowohl als Projektleiter Stv. wie auch als ausführender Sachbearbeiter. Dazu wurde eine massgeschneiderte Geodateninfrastruktur aufgebaut, mit welcher die Verfahrensschritte zielgerichtet unterstützt werden konnten.
- Die Kernkompetenzen der Agrofutura AG liegen an der Schnittstelle zwischen Land-wirtschaft, Ökologie und Ökonomie. Landwirtschaft und Biodiversität, Landwirtschaft und Umwelt, Arten und Biotope, Strukturentwicklung in der Landwirtschaft, Betriebs- und Branchenentwicklung und Regionalentwicklung, -produkte sind die Schwerpunkte.
Bernhard Koch, Ing. Agr. FH / CAS Mediation in Wirtschaft, Umwelt und Verwaltung FHNW begleitete die BA Lötschental über sämtliche Phasen und genoss als erster Ansprechpartner bei den Bewirtschaftern grosses Vertrauen. Die agronomische Fachexpertise von Bernhard Koch unterstützte das Verfahren insbesondere in der ausgewogenen Bewertung der Bewirtschaftungsflächen (Bonitierung), wie auch in der sinnvollen, individuell auf den jeweiligen Betrieb ausgerichteten Neuzuteilung.
- Als ein im Lötschental verankertes Geomatik und Ingenieurbüro verantwortet Rudaz+Partner AG/SA die Amtliche Vermessung im gesamten Lötschental und verfügt damit über die notwendigen Datengrundlagen für die erfolgreiche Umsetzung einer Bewirtschaftungsarrondierung.
Die Fachkompetenzen aus der Amtlichen Vermessung, wie auch die Kenntnisse hinsichtlich der Strukturverbesserung nach Walliser Recht wurden über alle Verfahrens-schritte durch Jean-Marcel Widmer, Ingénieur du génie rural EPFL et géomètre breveté in die Planergemeinschaft eingebracht. Aktuell werden durch das Büro Rudaz+Partner die relevanten Bewirtschaftungsgrenzen mittels Pfähle im Feld gekennzeichnet. Dies gewähr-leistet nach dem Antritt des Neuen Bestandes den reibungslosen Übergang in die Betriebsphase.
Definition der Bewirtschaftungsarrondierung
Unter Bewirtschaftungsarrondierung versteht man die Zusammenlegung aller Parzellen der Landwirtschaftszone und deren Neuverteilung unter den Bewirtschaftern. Sie beinhalten alles Pacht- und Eigenland der Landwirte. Bauliche Massnahmen werden keine durchgeführt.
Die Arrondierung begünstigt eine einfachere Bewirtschaftung, steigert die Effizienz durch die Senkung des Zeit- und Kostenaufwandes aufgrund der Rationalisierung des Personal-, Maschinen- und Materialeinsatzes der Bewirtschafter. Die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen wird deutlich erleichtert. Für einen 10 ha Betrieb wird von einer jährlichen Arbeitserleichterung von ca. CHF 16’000 ausgegangen (= 16 Rappen pro m2).
Das Grundeigentum bleibt unverändert. Liegenschaftshandel bleibt möglich, Verkauf und Vererbung sind erlaubt. Die Grundeigentümer erhalten einen jährlichen Pachtzins und eine einmalige Entschädigung zur Abtretung ihres Eigentums von der Genossenschaft (Fr. 12’000/ha). Der Pächter kann jedoch nicht mehr selber bestimmt werden.
Kennzahlen zur BA Lötschental
Übersicht Kennzahlen zur BA Lötschental
Ablauf
Seit knapp zehn Jahren wird im Lötschental an der BA gearbeitet. Im Rahmen eines Vorprojektes wurde neben der Machbarkeit der Arrondierung auch ein Ökovernetzungsprojekt ausgearbeitet. Im Zentrum des Vorprojekts stand die landwirtschaftliche Betriebsanalyse, bei welcher die Betriebsverhältnisse sämtlicher aktiver Landwirtschaftsbetriebe untersucht wurde. Dazu wurde bereits in diesem frühen Stadium mit allen Beteiligten Gespräche geführt. Durch die Genehmigung des Vorprojektes durch den Staatsrat im Jahr 2013 und den positiven Vorbescheid des Bundes bzgl. der Finanzierung des Pilotprojekts im Jahr 2013 konnte die Gründung der Genossenschaft für die BA Lötschental in Angriff genommen werden.
schematischer Ablauf BA Lötschental (A+W AG)
Gründung
Am 14. Dezember 2013 stimmten die Grundeigentümer mit einem Ja-Stimmenanteil von 71 % (Flächenmehr) der Ausführung der Bewirtschaftungs-arrondierung Lötschental zu. Im Anschluss an diese Abstimmung gründeten die Bewirtschafter mit 25 zu 23 Stimmen (bei einer ungültigen Stimme) die „Genossenschaft für die Bewirtschaftungsarrondierung Lötschental“. Gegen die Gültigkeit dieser Abstimmungen rekurrierten 28 Grundeigentümer (und teilweise Bewirtschafter) bei der Kantonalen Rekurskommission für den Bereich Landwirtschaft und Landumlegungen und anschliessend beim Bundesgericht. Das Bundesgericht hat mit Urteil vom 7. Mai 2015 die Gültigkeit der beiden Abstimmungen vom 14. Dezember 2013 bestätigt und die kantonalen Behörden in ihrer Anwendung und Auslegung der Gesetzgebung bekräftigt. Die Beschwerden der 28 mitbeteiligten Grundeigentümer (und teilweise Bewirtschafter) wurden kostenpflichtig abgewiesen.
Bernhard Koch zusammen mit der Ausführungskommission bei der ersten Testbonitierung.
Bonitierung / Alter Bestand
Zweck der Bonitierung ist, die Tauschwerte aller Grundstücke im Perimeter so zu bestimmen, dass Flä-chen mit unterschiedlicher Nutzungseignung, Lage, Neigung, usw. gegeneinander ausgetauscht werden können. Die Arbeiten zur Bonitierung fanden grösstenteils im Sommer und Herbst 2016 statt. Dabei wurde der gesamte Perimeter vor Ort nach den festgelegten Kriterien bonitiert. Die digitale Datenerhebung im Feld fand mit einem dazu eingerichteten Online-Tool statt. Dies ermöglichte eine effiziente und genaue Erfassung und Bewertung der Nutzungseignung im Feld.
Im November 2016 fand die Auflage des Alten Bestandes und der Bonitierung statt. Drei Einsprachen wurden behandelt und gütlich bereinigt. Die rechtskräftige Bonitierung ist Basis sowohl für die Bewertung des Alten als auch des Neuen Bestandes. Sie ermöglicht den Wertvergleich der neu zugeteilten Flächen mit denjenigen des Alten Bestandes.
Informationsanlass BA Lötschental
Neuzuteilung
In zahlreichen Gesprächen mit den Bewirtschaftern wurden die unterschiedlichen Zuteilungswünsche diskutiert und nachfolgend in einem iterativen Prozess die einzelnen Neuzuteilungsentwürfe erstellt. Diese wurden dann wiederum mit den Bewirtschafter besprochen und Anpassungen bzw. Ergänzungen vorgenommen.
Im 4. Quartal 2017 wurde der Neue Bestand öffentlich aufgelegt. Aufgrund veränderten Rahmenbedingung-en erklärte die Ausführungskommission den aufgelegten Neuen Bestand inkl. der eingegangenen Einsprachen für nichtig. Ausschlaggebend waren dafür Flächen innerhalb des Perimeters, welche neu durch die kantonale Dienststelle für Wald, Flussbau und Landschaft als Wald gewertet wurden (dynamischer Waldbegriff). Durch die veränderten Rahmenbedingungen konnten zahlreiche Gebiete nicht mehr als landwirtschaftliche Nutzfläche bewirtschaftet und damit auch nicht als Fläche des Neuen Bestandes angerechnet werden.
Die zweite Neuauflage des Neuen Bestandes erfolgte im Herbst 2018. Gegen den erneut aufgelegten Neuen Bestand gingen insgesamt 20 Einsprachen ein (Bewirtschafter, Grundeigentümer und Gemeinden). Im Rahmen von Einwendungsverhandlungen wurde im Dezember 2018 mit den Einwendern nach Lösungen gesucht. Im Frühjahr 2019 entschied die Ausführungskommission über sämtliche Einsprachen der Bewirtschafter. Drei Bewirtschafter zogen ihre Einsprachen weiter. Die Beschwerden wurden im Januar 2020 durch die kantonale Rekurskommission abgewiesen. Zwei der drei Beschwerdeführer zogen ihre Beschwerde weiter ans Bundesgericht, welches die Beschwerden am 24.03.2020 abschliessend abwies.
Antritt des Neuen Bestandes
Im Entscheid vom 16. September 2020 hat der Staatsrat die Neu-zuteilung der Bewirtschaftungsarrondierung Lötschental gesamthaft genehmigt und die Inbesitznahme des definitiven Neubestandes auf den 1. November 2020 festgelegt.Den Bewirtschaftern wird damit auf das Jahr 2021 die Direktzahlungen auf den neuen Flächen berechnet und ausbezahlt.
Zielerreichung / Erfolgskontrolle
Die Zielerreichung der BA Lötschental wird mittels eines Monitorings geprüft. Mit dem Monitoring werden langfristig Grössen beobachtet, die denen sich der Erfolg der BA messen lassen.
Es ist angedacht, das Monitoring anhand der Zieldimensionen Landwirtschaft, Ökologie und Sozioökonomie aufzubauen. Beispiele agronomischer Indikatoren sind die Anzahl Bewirtschafter oder die landwirtschaftliche Nutzfläche. Beide Indikatoren sollten durch die Arrondierung gestärkt werden und insofern in den nächsten zwölf Jahren nicht markant abnehmen.
Ebenfalls werden Steuerungsmassnahmen definiert, nach welchen nicht erwünschte Entwicklungsverläufe korrigiert werden können. Das eigentliche Monitoring startet mit Beginn der Betriebsphase und endet nach Ablauf der ersten 12-jährigen Pachtdauer.
Fazit
Durch die Arrondierung konnte die Anzahl der Bewirtschaftungseinheiten massgebend reduziert werden. Dies ermöglicht eine rationellere und effizientere Bewirtschaftungsweise für die Betriebe. Diese sind grossmehrheitlich Nebenerwerbsbetriebe und betreiben die Landwirtschaft in ihrer Freizeit in den Ferien, am Wochenende und am Feierabend. Der durch die Arrondierung reduzierte Arbeitszeitbedarf pro Hektare Produktionsfläche soll insbesondere zu einer Attraktivitätssteigerung für diese Betriebsweise und damit eine zukunftsfähige Weiterführung ermöglichen.
Der massgebende Arrondierungserfolg ist im nachfolgenden Beispiel ersichtlich:
Vergleich Alter und Neuer Bestand im Gebiet "Faldum" (Quelle: A+W AG)
Dass für zwei von drei Verfahrensschritten (Gründung / Neuer Bestand) Einsprachen vor die höchste Instanz gezogen wurden, zeigt die Schwierigkeit der Umsetzung eines solchen Verfahrens auf. Gewisse Flächen wurden durch die Betriebe seit Generationen bewirtschaftet – eine Trennung davon ist häufig mit Emotionen verknüpft und je nachdem, welcher Bewirtschafter die entsprechende Fläche übernimmt mit Hürden auf der Persönlichkeitsebene verbunden. Dieser Tatbestand wird durch das juristische Verfahren ausgeblendet, ist in den Gesprächen mit den Bewirtschafter aber omnipräsent und erfordert seitens der Verfahrensbegleitung Fingerspitzengefühl in den Verhandlungen.
Trotz der diversen Vorteile stehen einzelne Bewirtschafter der Arrondierung heute noch kritisch gegenüber.
Es ist anzunehmen, dass eine solch umfassende Neuorientierung der Bewirtschaftung ihre Zeit benötigt. Bis sich die einzelnen Betriebe auf ihre neuen Flächen eingestellt und die Produktionsweise den neuen Möglichkeiten angepasst haben, dürfte es wohl ein bis zwei Jahre dauern.
Finanzierung
Insgesamt belaufen sich die Projektkosten auf rund Fr. 2.0 Mio. Darin enthalten ist ein umfassendes Ökovernetzungsprojekt welches parallel zum Vorprojekt erstellt wurde, welches auch ohne die Bewirtschaftungsarrondierung zur Umsetzung gekommen wäre.
Die Kosten werden hauptsächlich durch die öffentliche Hand (Bund und Kanton Wallis) getragen.
Web-Applikation BA Lötschental
Die wichtigsten Datensätze sind in der nachfolgenden Web-Applikation aufgearbeitet und können in der Layerliste angewählt werden. Unter anderem kann so der Alte und der Neue Bestand verglichen werden.
Web-Applikation BA Lötschental (erstellt durch A+W AG)
Weiterführende Informationen
Beitrag von Kanal 9 zur Abschlussveranstaltung vom 22.6.2021; Redaktion Lukas Schnyder:
TAGESINFO vom 22.06.2021