Klimaschutzstrategie des Landkreises Karlsruhe

Was ist zeozweifrei?

Klimaschutz im Landkreis Karlsruhe

Der Landkreis Karlsruhe hatte schon früh die Dringlichkeit des systematischen Klimaschutzes und den Bedarf an einer Umwelt- und Energie-Agentur erkannt, die hierfür konkrete Strategien entwickelt. Aus diesem Grund wurde die Umwelt- und EnergieAgentur Landkreis Karlsruhe (UEA) gemeinsam mit der Stadtwerken Bretten, Bruchsal, Ettlingen und der EnBW im Jahr 2008 gegründet.

Als ersten wichtigen Baustein erarbeitete die UEA im Jahr 2010 im Auftrag des Landkreises das Klimaschutzkonzept zeozweifrei 2050 mit der Zielsetzung eines CO2-neutralen Landkreises bis zum Jahr 2050. Mit der Ausarbeitung des Konzepts konnte gezeigt werden, dass es möglich ist, mittels Energieeinsparungen und Ausbau von Erneuerbaren Energien eine klimafreundliche Energieversorgung innerhalb der Landkreisgrenzen aufzubauen. 

Die Umsetzung des Konzeptes wurde 2014 durch den Kreistag einstimmig beschlossen. Damit wurden zahlreiche Klimaschutzmaßnahmen angestoßen und umgesetzt, die wir im Folgenden genauer betrachten möchten…

Das wurde schon umgesetzt

Da Klimaschutz nur gemeinsam gelingen kann, unterstützt die Umwelt- und EnergieAgentur unsere Mitbürger*innen, die Unternehmen und die Kommunen des Landkreises mit einem breiten Beratungsangebot. So wurden etwa zahlreiche kostenfreie Energieberatungen und Schulprojekte durchgeführt, eine Photovoltaik-Kampagne sowie eine Effizienzberatung für Unternehmen eingeführt und Wärmenetze, das E-Car-Sharing-Projekt zeozweifrei unterwegs und weitere Modellprojekte umgesetzt.

Um den Klimaschutz innerhalb der Kommunen zu integrieren, wurden strategische Prozesse wie der European Energy Award, kontinuierliche CO2-Bilanzen, EnergieQuartiere, Energiepläne und vieles mehr umgesetzt. Im Jahr 2020 wurden darüber hinaus im Kreistag und der Hälfte der Landkreiskommunen Klimaschutzwerkstätten eingeführt.

Wo stehen wir heute?

Nach dem Blick auf die Vielzahl an umgesetzten Maßnahmen im Landkreis gilt es nun zu betrachten, was das für unsere CO2-Bilanz im Landkreis bedeutet. Die CO2-Bilanz erfasst dabei alle Emissionen, welche innerhalb des Landkreises durch den Energieverbrauch entstehen. Dabei zeigt sich, dass wir in den letzten 10 Jahren unsere CO2-Emissionen um ca. 16 Prozent senken konnten.

Natürlich ist dies ein Erfolg. Jedoch darf nicht vergessen werden, dass wir maßgeblich vom Ausbau der Erneuerbaren Energien im Rest von Deutschland profitiert haben, da sich die Senkung der CO2-Emissionen des deutschen Strommixes positiv auf unsere Bilanz auswirkt. Mittlerweile liegt die Erneuerbare-Energien-Quote im deutschen Strommix bei ca. 45 Prozent, während unsere lokale Quote im Stromsektor mit ca. 9 Prozent deutlich darunterliegt.

Unsere energiebedingten CO2-Emissionen lassen sich auf die Sektoren Strom, Wärme und Verkehr aufteilen. In all diesen Bereichen werden heute noch fossile Brennstoffe wie Braunkohle, Steinkohle, Benzin, Diesel, Heizöl oder Erdgas eingesetzt. Die Nutzung dieser Brennstoffe zeichnet sich dadurch aus, dass bei deren Verbrennung CO2 freigesetzt wird, das als Treibhausgas eine Hauptursache für den menschengemachten Klimawandel ist.

Bei uns im Landkreis fallen dabei fast 50 Prozent der Gesamtemissionen im Sektor Wärme an, also bei der Nutzung von Heizöl und Erdgas. Daraus lässt sich folgern, dass beim Thema Energiewende nicht nur der Sektor Strom betrachtet werden darf, sondern v.a. dem Sektor Wärme größere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Dies zeigt auch die Erneuerbare-Energien-Quote im Sektor Wärme, welche im Landkreis mit ca. 7 Prozent ebenfalls unter der Quote Deutschlands von ca. 15 Prozent liegt.

Nachdem wir gesehen haben, wie die CO2-Emissionen im Landkreis bis heute reduziert werden konnten und wie sich unsere derzeitigen CO2-Emissionen zusammensetzen, stellt sich die Frage: …

…Genügt unser derzeitiges Handeln um einen fairen Beitrag am weltweiten Klimaschutz zu leisten? 

Leider nein. Um dies zu verstehen, betrachten wir zunächst die weltweiten Klimaziele und was ein fairer Beitrag zum weltweiten Klimaschutz wäre.

Klimawandel und Klimaziele

Weltweite Trockenheit, Häufung von Extremwetterereignissen, Artensterben, etc. – das alles sind Folgen eines ungebremsten Klimawandels. Verursacht wird er durch menschengemachte CO2-Emissionen, welche das natürliche CO2-Gleichgewicht durcheinanderbringen und v.a. in Industrieländern wie Deutschland verursacht werden. Unser heutiges Handeln führt dazu, dass die Lebensgrundlage unserer Mitmenschen auf der Welt verschlechtert wird. Aber auch wir werden die Folgen des Klimawandels bei uns zu spüren bekommen. 

Um dies zu unterbinden, verpflichtete sich Deutschland mit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens im Jahr 2015 aktiv dazu beizutragen, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf "deutlich unter" 2 °C zu begrenzen mit Anstrengungen für eine Beschränkung auf 1,5 °C. Dass hierfür höchste Zeit zum Handel ist, zeigt die derzeitige Erderwärmung von bereits 1,1 °C. 

Doch wie kann man nun feststellen, welchen Beitrag Deutschland zum Klimaschutz leisten muss?

Unser CO2-Budget

Hierfür kann das CO2-Budget herangezogen werden. Das CO2-Budget ist die Menge an CO2, die maximal noch ausgestoßen werden darf um einen fairen Beitrag zur Erreichung der Pariser Klimaziele zu leisten. Für Deutschland beläuft sich das verbleibende CO2-Budget ab 2020 auf 4.200.000.000 tCO2. Heruntergerechnet auf den Landkreis Karlsruhe bedeutet das: Wir dürfen ab 2020 noch ca. 22.500.000 tCO2 ausstoßen. Auch wenn diese Zahl nach viel klingen mag, zeigt uns die folgende Grafik, wie schnell unser Budget aufgebraucht ist, sofern wir unsere Klimaschutzmaßnahmen nicht verstärken.

Würden wir unsere Emissionen in den folgenden Jahren nicht verändern, so wäre unser Budget schon Ende 2026 aufgebraucht (graue Fläche). Auch eine konstante Senkung der CO2-Emissionen mit dem Ziel einer Klimaneutralität im Jahr 2035 genügt nicht (blaue Fläche). Damit der Landkreis Karlsruhe einen fairen Beitrag zum weltweiten Klimaschutz leistet, müssen die CO2-Emissionen v.a. in den nächsten 5 Jahren stark verringert und eine Klimaneutralität spätestens im Jahr 2035 erreicht werden (grüne Fläche). 

Da wir heute wissen, dass der Klimawandel maßgeblich auch durch unsere Aktivitäten in Deutschland und im Landkreis verstärkt wird und die Folgen weltweit zu spüren sein werden, muss auch unser Handeln für den Klimaschutz im Landkreis Karlsruhe noch intensiviert werden – doch …

… ist die Einhaltung des CO2-Budgets überhaupt möglich im Landkreis Karlsruhe?

Ja, das ist sie! Welche Potenziale uns zur Einhaltung des CO2-Budgets zur Verfügung stehen, betrachten wir im folgenden Abschnitt.

Potenziale

Welche Möglichkeiten haben wir im Landkreis?

Jede nicht benötigte Kilowattstunde Energie reduziert den CO2-Ausstoß direkt und senkt den Bedarf, der zukünftig aus Erneuerbaren Energien gedeckt werden muss. Das bedeutet, wir müssen Energie einsparen. Dies kann einerseits durch effizientere Maschinen, Anlagen, Elektrogeräte, Gebäude etc. erreicht werden, aber andererseits vor allem durch unser eigenes Verhalten. Dabei können wir alle aktiv zu Klimaschützer*innen werden: Jeder Weg, bei dem das Auto stehen gelassen oder mit anderen geteilt wird, jede Minute, in der das Licht nicht an ist, jedes Grad, das die Heizung im Winter heruntergeregelt wird – das ist nur ein kleiner Teil der Möglichkeiten, die jeder von uns zum Klimaschutz beitragen kann. Lasst uns diese Möglichkeiten bestmöglich gemeinsam nutzen.

Da wir jedoch nicht komplett auf Energie verzichten wollen und können, bedarf es zur Reduktion des CO2-Ausstoßes einer klimafreundlichen Alternative zu unserer derzeitigen Energieversorgung. Das heißt wir brauchen eine Energieversorgung, bei der keine fossilen Brennstoffe mehr verbrannt werden. Hierfür setzen wir auf den Einsatz von Erneuerbaren Energien. Mit Hilfe von Erneuerbaren Energien können sowohl der Strom-, der Wärme-, als auch der Verkehrssektor versorgt werden. 

Des Weiteren können wir CO2 langfristig binden, es also nicht in die Atmosphäre gelangen lassen, was ebenfalls zu einer CO2-Reduktion führt. Jedoch sollten wir diese Technologien nur zur Beseitigung von Emissionen verwenden, die wir nicht durch Einsparung oder den Einsatz von Erneuerbaren Energien vermeiden können.  

Fassen wir zusammen: Wir haben drei Möglichkeiten, unser CO2-Budget einzuhalten. Dabei gilt folgende Reihenfolge:

  1. Energie einsparen
  2. Ausbau von Erneuerbaren Energien
  3. Bindung von CO2

Betrachten wir nun die einzelnen Möglichkeiten für den Landkreis Karlsruhe im Detail. Zur Ermittlung der Potenziale haben wir eng mit Expert*innen aus der Wissenschaft, Wirtschaft und der kommunalen Verwaltung zusammengearbeitet. Beginnen wir mit den Möglichkeiten zum Einsparen von Energie im Landkreis.

Potenziale Energieeinsparung

Das Potenzial zur Energieeinsparung im Landkreis Karlsruhe ist erheblich und noch deutlich höher, als wir in der Grafik sehen können. Um allerdings bis 2035 klimaneutral sein zu können, werden wir mehr Strom für Wärme und den Verkehr benötigen. Deshalb und auch weil bis 2035 noch nicht alle Häuser saniert sein dürften, werden wir nicht das gesamte Energie-Einsparpotenzial ausnutzen.

In Anlehnung an die Landesziele zur Energieeinsparung in Baden-Württemberg ergeben sich die gezeigten Werte für das Jahr 2035. Werden diese Energieeinsparungen erreicht, bewirkt dies eine CO2-Reduktion von ca. 31 Prozent im Vergleich zu 2020. Wir können also fast ein Drittel unserer CO2-Emissionen durch Energieeinsparungen reduzieren. Dabei ist anzumerken, dass sich die Reduktion am heutigen Bedarf orientiert. Das zukünftige Energiesystem wird allerdings mehr Strom für Verkehr und Heizungen benötigen als das derzeitige. Um hierfür ausreichend Erzeugungspotenzial zu haben, ist es umso wichtiger, die heutigen Einsparpotenziale vollständig auszuschöpfen.

Erneuerbare Energien Potenziale

Nachdem wir gesehen haben, welche Möglichkeiten uns die Energieeinsparungen liefern, schauen wir uns nun genauer an, wie wir die verbleibende Energie bereitstellen könnten. Dabei kann vorweggenommen werden, dass innerhalb der Landkreisgrenzen genügend Potenzial vorhanden ist, um unseren Energiebedarf nach den Einsparungen decken zu können. 

Es zeigt sich aber auch, dass einige Potenziale eine Schlüsselrolle in unserer Energieversorgung einnehmen werden, wohingegen andere Potenziale aufgrund ihres geringen Vorkommens nur unterstützend wirken werden. Darüber hinaus sind die Potenziale oftmals ungleichmäßig über unsere Kommunen im Landkreis verteilt.

Wie wir trotzdem eine klimaneutrale Energieversorgung in allen Kommunen erreichen können, werden wir uns im Kapitel Szenario 2035 anschauen. Aber nun zu den einzelnen Potenzialen.

Abwasserwärme (Wärme)

Auch aus unserem Abwasser, das wir im Landkreis täglich in großen Mengen erzeugen, lässt sich Energie entziehen, die zum Heizen von Gebäuden verwendet werden kann. Dabei kann zum einen dem Abwasser die Wärme innerhalb der Abwasserrohre entzogen werden. Diese Technologie wird in Deutschland schon vielfach genutzt.

Möglicher Anteil am gesamten Wärmebedarf (2020) im Landkreis Karlsruhe

Des Weiteren kann diese Technologie direkt an den Klärwerken eingesetzt werden, indem die Wärme dem geklärten Abwasser, also erst nach dem Klärungsprozess, entzogen und dann mittels eines Wärmenetzes verteilt wird. Diese Technologie wird z.B. in Ilsfeld (35 km östlich vom Landkreis Karlsruhe) angewendet.

Best-Practice Abwasserwärme

Abwasserwärme wird seit 2009 in Bretten in einem Nahwärmenetz genutzt und versorgt damit mehrere Wohngebäude, eine Sporthalle und ein Gymnasium mit Wärme. Das Bild rechts zeigt wie die Wärmetauscher, in einem Abwasserkanal verlegt werden können. Mittels dieser Wärmetauscher und Wärmepumpen, lässt sich dann klimafreundlich Wärme bereitstellen.

Oberflächennahe Geothermie (Wärme)

Unter oberflächennaher Geothermie versteht man die Nutzung der Erdwärme in einer Tiefe bis 400 m. Diese Technologie bietet sich besonders für einzelne Gebäude oder für kleine Wärmenetze mit einer geringen Temperatur an.

Möglicher Anteil am gesamten Wärmebedarf (2020) im Landkreis Karlsruhe

Die Nutzung von oberflächennaher Geothermie ist oftmals durch Wasserschutzgebiete oder andere Schutzzonen beschränkt. Dennoch ist hier in unserem Landkreis ebenfalls Potenzial vorhanden, welches allerdings deutlich geringer als das Tiefengeothermiepotenzial ausfällt.

Best-Practice Oberflächennahe Geothermie

Die Oberflächennahe Geothermie wird auch im Landkreis Karlsruhe schon genutzt. Das Bild zeigt das ADAC Dienstleistungszentrum in Bruchsal, in welchem auch mehrere Bereiche des Landratsamtes sitzen. Das Gebäude wird mittels oberflächennaher Geothermie mit Wärme versorgt.

Abwärme (Wärme)

Bei Industrieprozessen fällt oft als Nebenprodukt Wärme an. Diese Wärme geht zum großen Teil ungenutzt an die Umgebungsluft. Sie ist sozusagen ein Abfallprodukt. Da diese Wärme jedoch auch zur Beheizung von Gebäuden verwendet werden kann, ist es sinnvoll, diese Abwärmequellen zu identifizieren und in Wärmenetze einspeisen zu lassen.

Möglicher Anteil am gesamten Wärmebedarf (2020) im Landkreis Karlsruhe

Solarthermie (Wärme)

Die Energie der Sonne kann ebenfalls zum Heizen verwendet werden. Hierfür nutzt man die sogenannte Solarthermie. Diese kann entweder in kleinen Anlagen auf Dachflächen montiert oder großflächig auf Freiflächen angebracht werden, was als wesentlich effizienter angesehen werden kann. Bei den Freiflächen eignen sich v.a. Flächen, die schon in einer anderen Art und Weise genutzt werden (z.B. Deponieflächen) oder Flächen, die durch Altlasten vorbelastet sind. Durch eine energetische Nutzung werden diese Flächen aufgewertet und bieten einen größeren Nutzen. 

Möglicher Anteil am gesamten Wärmebedarf (2020) im Landkreis Karlsruhe

Da diese Technologie von der Sonne abhängt, bedarf es an Wärmespeichern, die es uns ermöglichen, einen Großteil der Energie der Sonneneinstrahlung im Sommer zu speichern und diese im Winter zu nutzen. 

Best-Practice Solarthermie

Auf den Dächern des Beruflichen Bildungszentrums (BBZ) des Landkreises Karlsruhe wird Solarthermie schon heute erfolgreich zur Wärmeversorgung genutzt. Auf dem Bild rechts ist die knapp 700 Quadratmeter große Solarthermieanlage zu sehen, welche ihren Teil zur Wärmeversorgung beiträgt.

Biomasse (Wärme)

Das Heizen mit Holz ist eines der ältesten regenerativen Verfahren auf unserer Welt. Auch in unserem Landkreis ist hierfür Potenzial vorhanden, wenn auch begrenzt, da Holz zuallererst als Baustoff z.B. für das Bauen von Häusern und nicht direkt als Brennstoff genutzt werden sollte.

Möglicher Anteil am gesamten Wärmebedarf (2020) im Landkreis Karlsruhe

Erhebliche Mengen an Biomasse, die als Brennstoff geeignet sein können, fallen z.B. in der Landschaftspflege, auf Grünschnittplätzen, in der Industrie oder bei der Pflege von Bahntrassen an.

Best-Practice Biomasse

In der Heizzentrale des Nahwärmenetzes in Malsch wird Biomasse für die Wärmeversorgung genutzt. Auf dem Bild rechts ist der Kessel zu sehen, in welchem die Biomasse verfeuert wird.

Tiefengeothermie (Wärme)

Unter Tiefengeothermie versteht man die Nutzung der Erdwärme in einer Tiefe ab 400 m. Als eine von nur wenigen Regionen in ganz Deutschland bietet sich der Landkreis Karlsruhe für die Nutzung von Tiefengeothermie an. Im vergleichbar geeigneten bayrischen Molassebecken rund um und in München werden heute schon vielfach Tiefengeothermie-Anlagen erfolgreich betrieben und sind in den Klimastrategien der Region verankert. Hierbei ist in mehr als der Hälfte der Landkreisfläche Potenzial vorhanden. Dass das Potenzial im Landkreis Karlsruhe für diese Technologie enorm ist, zeigt sich darin, dass für unsere Potenzialabschätzung nur knapp 3 Prozent des technisch verfügbaren Potenzials angenommen wurden. Die Tiefengeothermie kann dabei sowohl zur Gewinnung von Wärme als auch von Strom verwendet werden. Zur Erreichung einer klimaneutralen Wärmeversorgung ist die Tiefengeothermie die Schlüsseltechnologie im Landkreis, da sie auch im Winter verfügbar ist. 

Möglicher Anteil am gesamten Wärmebedarf (2020) im Landkreis Karlsruhe

Um die Wärme aus dem Tiefengeothermie-Kraftwerk nutzen zu können, braucht es Wärmenetze, die die Wärme zu den Verbrauchern verteilen. Der Gedanke zur Verteilung von Energie über Netze ist dabei nichts Neues, sondern etwa beim elektrischen Strom seit jeher gängige Praxis. Schon heute existieren zahlreiche Wärmenetze im Landkreis Karlsruhe und in Bruchsal seit über einem Jahrzehnt eine Tiefengeothermie-Anlage als Pilotanlage.

Best-Practice Tiefengeothermie

Im Jahr 2009 wurde eine Tiefengeothermieanlage in Bruchsal offiziell eingeweiht. Neben der erfolgreichen Stromproduktion, wird durch diese Anlage seit 2019 auch ein anliegendes Nahwärmenetz mitversorgt. Das Bild rechts zeigt die Anlage in Bruchsal.

Windkraft (Strom)

Um den für die Versorgung des Verkehrs- und Wärmesektors nötigen Stromüberschuss zu erzeugen, ist es hilfreich Windkraftanlagen auch in unserem Landkreis zu errichten. Schon ein bis zwei Windkraftanlagen pro Kommune würden einen erheblichen Beitrag zur Energiewende leisten.

Möglicher Anteil am gesamten Strombedarf (2020) im Landkreis Karlsruhe

Best-Practice Windkraft

Bisher ist in unserem Landkreis nur in Pfinztal eine Windkraftanlage in Betrieb, die für ein Forschungsprojekt des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie errichtet wurde (siehe Bild). Potenzial für weitere Windkraftanlagen ist jedoch auch im Landkreis Karlsruhe vorhanden.

Tiefengeothermie (Strom)

Unser Landkreis ist nicht nur für die Nutzung von Tiefengeothermie zur Wärmeerzeugung sehr gut geeignet: die im Landkreis Karlsruhe zu erwartenden Temperaturen im Untergrund ermöglichen eine gleichzeitige Erzeugung von Strom mit dieser Technologie. 

Möglicher Anteil am gesamten Strombedarf (2020) im Landkreis Karlsruhe

Die Tiefengeothermie ist darüber hinaus eine ganzjährig und wetterunabhängig nutzbare Technologie für die Stromerzeugung. und ist damit eine wichtige Ergänzung für die schwankende Erzeugung aus Photovoltaik- oder Windkraftanlagen.

Best-Practice Tiefengeothermie

Die Tiefengeothermieanlage in Bruchsal, welche im Bereich Tiefengeothermie (Wärme) schon betrachtet wurde, ermöglicht es eine klimafreundliche Stromversorgung für rund 1.200 Haushalte sicherzustellen. Die Anlage in Bruchsal war einst als Forschungsanlage konzipiert und ist somit von den Leistungswerten deutlich kleiner dimensioniert, als es der heutige Stand der Technik ermöglicht.

Photovoltaik (Strom)

Als bedeutendstes Potenzial im Sektor Strom ist die Photovoltaik anzusehen. Hierbei wird das Licht der Sonne in elektrische Energie umgewandelt. Photovoltaik ist dabei seit mehr als zwei Jahrzehnten ein fester Bestandteil der deutschen Energiewende und wird auch bei uns im Landkreis zahlreich eingesetzt (> 9.000 Dächer mit Photovoltaik ausgestattet). Im Landkreis Karlsruhe ist der weitere Einsatz von Photovoltaik vielfältig möglich. Neben der Errichtung von Freiflächenanlagen, welche wie die Solarthermie gezielt auf vorbelasteten Flächen eingesetzt werden sollten, bietet sich die Möglichkeit Parkplätze zu überdachen oder Baggerseen mit Photovoltaik zu belegen. Das größte Potenzial mit ca. 90 Prozent des gesamten Photovoltaikpotenzials und somit der wichtigste Standort für Photovoltaikanlagen sind jedoch die zahlreichen Dächer, ganz egal ob Gewerbe-, Haus- oder Garagendächer.

Möglicher Anteil am gesamten Strombedarf (2020) im Landkreis Karlsruhe

Erstens müssen hierfür keine neuen Flächen versiegelt werden und zweitens ist die Stromerzeugung nahe beim Stromnutzer. Im Landkreis Karlsruhe stehen uns ca. 170.000 Dächer noch zur Verfügung. Da auch die Photovoltaik abhängig von der Sonneneinstrahlung ist, müssen hierfür ebenfalls Speicherkapazitäten aufgebaut werden, um unseren Strombedarf ganzjährig decken zu können.

Best-Practice Photovoltaik

Wir haben gesehen, dass Photovoltaik schon heute auf über 9.000 Dächern im Landkreis Karlsruhe zur klimafreundlichen Stromproduktion genutzt wird. Eine dieser zahlreichen Anlagen ist die Photovoltaikanlage auf der Paula-Fürst-Schule in Oberderdingen, welche auf dem Bild rechts zu sehen ist.

Potenziale CO2-Bindung

Konsequenter Klimaschutz vermeidet so weit möglich alle CO2-Emissionen durch Maßnahmen im Bereich der Energieeinsparungen und der Erneuerbaren Energien. In unserem Landkreis haben wir aber darüber hinaus, neben dem nachhaltigen Bauen mit Holz, zusätzlich die Möglichkeit, CO2 durch die Umwandlung von Biomasse in Pflanzenkohle („Terra preta“) zu binden.

Die Pflanzenkohle kann z.B. auf landwirtschaftlichen Flächen als natürlicher Dünger verwendet werden. Mit dieser Technik könnten im Idealfall jährlich ca. 45.000 Tonnen CO2 langfristig gebunden werden. Ein Feldversuch der Bürgerinitiative "HumuStutensee" mit einer Versuchsanlage läuft bereits und wird vom KIT (Engler-Bunte-Institut) und der Universität Hohenheim wissenschaftlich begleitet.

Es gibt genügend Potenzial, um die Bewohner, Unternehmen und Kommunen des Landkreises innerhalb der Landkreisgrenzen klimaneutral mit Energie zu versorgen.

  • Welche grundlegenden Schritte sind für eine möglichst hohe Ausnutzung des Potenzials nötig?
  • Was könnte diese mutige Energiewende für unsere CO2-Bilanz bedeuten?

Die Beantwortung dieser Fragen möchten wir im nächsten Abschnitt thematisieren und uns dafür die Bereiche Strom, Wärme und Verkehr anschauen.

Szenario 2035

Szenario Strom

Der heutige Strombedarf muss deutlich reduziert werden, um den Verkehrssektor sowie einen Teil der Wärmeversorgung überhaupt elektrifizieren zu können. Dazu kann jede/r von uns, egal ob Kommune, Unternehmen oder Bürger*in, einen großen Teil beitragen.

Wir haben gesehen, dass die Photovoltaik, insbesondere die Dachflächen-Photovoltaik, unser größtes Potenzial im Stromsektor bildet. Die Technologie ist seit mehreren Jahrzehnten erprobt und wird in unserem Landkreis bereits vielfach genutzt. Deshalb ist es entscheidend, dass so viele Dächer wie möglich mit dieser Technologie ausgerüstet werden. Der Ausbau der Photovoltaik ist effektiv, wird aber aufgrund der Vielzahl an Projekten (170.000 mögliche Dächer) seine Zeit brauchen, die wir hinsichtlich unseres verbleibenden CO2-Budgets allerdings nicht haben. Jedoch…

… haben wir in unserem Landkreis die Chance, die Energiewende durch Großprojekte wie Tiefengeothermie, Photovoltaik-Freiflächen und Windkraftanlagen schneller voran zu bringen. Diese Technologien würden es uns ermöglichen große Sprünge im Klimaschutz zu machen.

Damit wir zu jeder Zeit genügend Strom zur Verfügung haben, ist es wichtig eine Vielzahl an Speichermöglichkeiten auch im Landkreis Karlsruhe aufzubauen, da Photovoltaik und Windkraft nicht rund um die Uhr Energie liefern werden.

Szenario Wärme

Auch im Wärmesektor bedarf es zur Einhaltung der Klimaziele einer Reduktion des Energieverbrauchs, da sonst nicht genügend Erneuerbare Energien innerhalb unserer Landkreisgrenzen zur Verfügung stehen. Der Energieverbrauch lässt sich dabei einerseits durch die Sanierung von Gebäuden senken. Diese ist in vielen Fällen dringend notwendig, aber auch mit Ausgaben verbunden. Eine weitere Möglichkeit, die sogar niemanden von uns etwas kostet, ist unser individuelles Verhalten zu verändern. Niedrigere Heiztemperaturen, weniger Warmwasserverbrauch – das schont den Geldbeutel und bringt uns allen ungemein viel für den Klimaschutz.

Neben den Potenzialen von Freiflächensolarthermie, Abwärme und Biomasse spielt die Tiefengeothermie im Landkreis Karlsruhe mit dem weitaus höchsten Potenzial die Schlüsselrolle schlechthin.

Tiefengeothermie ist an nur wenigen Stellen in Deutschland nutzbar. Unser Landkreis liegt glücklicherweise in einer Region, in der diese Technologie eingesetzt werden kann. Zur Erreichung einer eigenständigen klimaneutralen Wärmeversorgung im Landkreis Karlsruhe ist die Tiefengeothermie der entscheidende Faktor, da sich mit ihr mehr als 50 Prozent des heutigen Wärmebedarfs decken lassen. 

Um die Tiefengeothermie sowie einen Großteil der weiteren Potenziale im Wärmesektor nutzen zu können, ist der Aufbau von Wärmenetzen erforderlich. Die Leitungen hierfür können im Untergrund verlegt werden und sind somit nicht sichtbar. Des Weiteren bilden die Wärmenetze eine Speichermöglichkeit, welche jedoch zur ganzjährigen Wärmenutzung durch weitere Speichertechnologien, wie z.B. Saisonalspeicher, unterstützt werden sollte.

Szenario Verkehr

Wie im Strom- und Wärmesektor sind auch im Verkehrssektor Einsparungen beim heutigen Energieverbrauch notwendig. Voraussetzung dafür sind der Ausbau des nicht motorisierten Individualverkehrs (Fahrrad, Fuß) und des ÖPNV sowie eine Effizienzsteigerung überall da, wo noch fossile Brennstoffe im Verkehr genutzt werden: Die Verkehrsmittel sind in dem Fall möglichst gut auszulasten, z.B. durch Bildung von Fahrgemeinschaften oder On-Demand-Verkehre. 

Bilanziell ist genügend elektrische Energie vorhanden, um mittels vollständiger Elektrifizierung Klimaneutralität im Verkehrssektor zu erreichen, sofern die zuvor betrachteten Einspar- und die Erzeugungspotenziale in allen Sektoren ausgenutzt werden. Da eine vollständige Elektrifizierung des Verkehrs nicht als sinnvoll anzusehen ist, kann dieses Ergebnis nur als erster Anhaltspunkt gesehen werden. Der Überschussstrom kann ebenfalls zur Produktion von grünem Wasserstoff genutzt werden, welcher dann im Schwerlastverkehr eingesetzt werden könnte. Dennoch wird der Import von Energieträgern wie Wasserstoff oder anderen erneuerbaren Brennstoffen, sogenannten E-Fuels, auch in Zukunft nötig sein.

Unsere mögliche CO2-Bilanz im Jahr 2035

Werden alle beschriebenen Potenziale ausgenutzt, lassen sich die energiebedingten CO2-Emissionen pro Person bilanziell auf nur noch 0,7 tCO2/a reduzieren (vergleiche 2020: 7,7 tCO2/a), was einer CO2-Reduktion von 91 Prozent entspricht. Dabei ist anzumerken, dass die verbleibenden Emissionen auf die Vorketten der Erneuerbaren Energien zurückzuführen sind. Die lokale Energiebereitstellung erfolgt klimaneutral.

Jegliche Reduktion der CO2-Emissionen verlangsamt den Klimawandel und ist deshalb grundsätzlich als sinnvoll anzusehen. Auch wenn die Ziele herausfordernd sind und wir vielleicht sogar die oben beschriebene CO2-Reduktion  bis 2035 nicht ganz erreichen, geht daher kein Weg daran vorbei, diesen Pfad mutig und engagiert einzuschlagen. 

Wer sind die Akteure des Klimaschutzes im Landkreis Karlsruhe?

Wir alle! Gemeinsam, zielgerichtet und kontinuierlich können wir das Ziel eines klimaneutralen Landkreises erreichen:

Der Landkreis schafft die Rahmenbedingungen, damit die Städte und Gemeinden vor Ort wirksame Maßnahmen schnell und effektiv umsetzen können. Dabei unterstützt der Landkreis mit seiner Umwelt- und EnergieAgentur die Kommunen auch mit Know-how und der Begleitung von Klimaschutzprozessen und -projekten sowie zu Förderprogrammen.

Die regionalen Energieversorger spielen bei Erzeugung und Bereitstellung nachhaltiger Wärme und Elektrizität eine wichtige Rolle. Die Bauwirtschaft ist gefordert, nachhaltige Bau- und Sanierungsverfahren einzuführen; das Gewerbe kann neben dem Angebot nachhaltiger Lösungen für verschiedene Kundengruppen durch Einsatz von PV-Anlagen, Nutzung von Abwärme aus Produktionsprozessen oder klimawirksame Prozessverbesserungen viel zum Klimaschutz beitragen.

Und auch Sie als einzelne Bürgerin, als einzelner Bürger können in Ihrem eigenen Umfeld Ihren Beitrag leisten, sei es durch bewussteren Konsum, clevere Energiesparkonzepte oder Überdenken des Mobilitätsverhaltens. Damit die Bürgerschaft künftig auch einen finanziellen Mehrwert an den „großen“ Lösungen erzielen kann, wird zusätzlich das Prinzip der Bürgerenergiegenossenschaften künftig eine zunehmende Bedeutung haben.

Das sagt unser Landrat Dr. Christoph Schnaudigel:

"Natürlich hat zunächst einmal der Landkreis die Aufgabe, die Rahmenbedingungen für wirksamen Klimaschutzmaßnahmen zu schaffen. Und wir meinen es ernst damit: So haben wir als einer der ersten Landkreise CO2-Neutralität bis 2050 beschlossen und dieses Ziel jetzt auf 2035 verkürzt.

Aber auch wir alle ganz persönlich, die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises Karlsruhe, sind mit für den Klimawandel verantwortlich und jeder von uns hat die Möglichkeit etwas beizutragen – ganz egal ob im privaten, Unternehmens- oder kommunalen Bereich. Auch wenn die eigenen Möglichkeiten in manchen Situationen begrenzt scheinen, hat jeder seine Stärken. Im Kollektiv können wir über uns hinauswachsen und gemeinsam das Ziel eines klimafreundlichen Landkreises Karlsruhe erreichen. Zahlreiche Akteure sind schon im Landkreis aktiv, und wir haben in den letzten Jahren bereits wichtige Strukturen für den Klimaschutz geschaffen – auf Landkreisebene wie auch in den Städten und Gemeinden."

"Packen wir es gemeinsam an – gehen wir voran und leisten unseren fairen Beitrag zum Klimaschutz!"

Möglicher Anteil am gesamten Wärmebedarf (2020) im Landkreis Karlsruhe

Möglicher Anteil am gesamten Wärmebedarf (2020) im Landkreis Karlsruhe

Möglicher Anteil am gesamten Wärmebedarf (2020) im Landkreis Karlsruhe

Möglicher Anteil am gesamten Wärmebedarf (2020) im Landkreis Karlsruhe

Möglicher Anteil am gesamten Wärmebedarf (2020) im Landkreis Karlsruhe

Möglicher Anteil am gesamten Wärmebedarf (2020) im Landkreis Karlsruhe

Möglicher Anteil am gesamten Strombedarf (2020) im Landkreis Karlsruhe

Möglicher Anteil am gesamten Strombedarf (2020) im Landkreis Karlsruhe

Möglicher Anteil am gesamten Strombedarf (2020) im Landkreis Karlsruhe