Sie engagieren sich in Schleswig-Holstein für eine nachhaltige Zukunft: acht Macherinnen und Macher der Energiewende im Porträt
kiek mol zur iABE-SH 2022 - Die Interviews wurden im Herbst 2022 geführt.
Schleswig-Holstein hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt, um der Klimakrise zu begegnen. Der seit Jahren sichtbare Fachkräftemangel wirkt hier in besonderer Weise auf die Zukunft des Landes.
Ohne Fachkräfte keine Energiewende
Die Energiewende kann nur gelingen, wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien zügig voranschreitet. Deshalb soll die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Schleswig-Holstein laut Gesetz bis zum Jahr 2025 auf mindestens 37 Terawattstunden ausgebaut werden. Dafür benötigt die Branche dringend zusätzliche Fachkräfte, die insbesondere durch eigene Ausbildung gewonnen werden können. Eine aktuelle Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) am Institut der deutschen Wirtschaft zeigt: Allein für den Ausbau der Wind- und Solarenergie werden 190 verschiedene Berufe benötigt. Bundesweit fehlen rund 216.000 Fachkräfte. Die größten Lücken gibt es demnach in der Bauelektrik, der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sowie der Informatik.
Die Entwicklung der Schülerzahlen in der dualen Ausbildung in Schleswig-Holstein geben Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Der Bedarf wird damit aber nicht annähernd gedeckt. So ist beispielsweise die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die eine duale Berufsausbildung zur Anlagenmechanikerin beziehungsweise zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik absolvieren, in den vergangenen fünf Jahren von 1.544 auf 1.707 gestiegen. Im Schuljahr 2017/2018 besuchten 2.005 angehende Elektronikerinnen und Elektroniker mit der Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik die Berufsschulen des Landes, im Schuljahr 2021/2022 stieg die Zahl auf 2.030. Spätestens seit der Novellierung des Energiewende- und Klimaschutzgesetzes im Jahr 2021 ist klar, dass es deutlich mehr gut ausgebildetes Personal braucht, um die Vorhaben umzusetzen.
Die KOFA-Studie 3/2022 untersucht, welche Fachkräfte für den Ausbau der Energie aus Wind und Sonne gebraucht werden.
Monteur / Anlagenteile im Windpark in Schleswig-Holstein
Monteure beim Anlagenaufbau in Schleswig-Holstein (Repoweringprojekt)
alpha ventus - Windpark in der Nordsee
Repoweringprojekt in Schleswig-Holstein
Bewehrung für das Fundament einer Windenergieanlage in Schleswig-Holstein
Transport eines Rotorblatts für Windpark in Galmsbüll, Schleswig-Holstein
Montage in der Nordsee im Testfeld alpha ventus
Monteure bei der Montage einer Nabe
Es braucht viele motivierte Menschen, die sich den unglaublichen und spannenden Aufgaben stellen, die die Energiewende mit sich bringt.
Wir gestalten die Energiewende
Acht Menschen, die sich in Schleswig-Holstein beruflich für eine nachhaltige Zukunft engagieren, sprechen darüber, was sie an ihren Jobs lieben und welche Fachkräfte noch dringend gebraucht werden, um die Energiewende voranzutreiben.
Yannik Zimmer
Ove Petersen
Arne Rohbrecht
Marten Jensen
Sina Clorius
Marc Kleinschmidt
Nicole Knudsen
Lars Hückstädt
Hier in Schleswig-Holstein sind die Interviewpartnerinnen und -partner für die Energiewende aktiv.
Yannic Zimmer
Technischer Betriebsführer, Sehestedt
Yannic Zimmer wusste schon früh, dass er seine Liebe für Technik zum Beruf machen wollte. Nach seinem mittleren Schulabschluss startete er deshalb eine Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik bei den Stadtwerken Flensburg. Nach seiner Lehre 2014 und einer kurzen Station bei einem kleinen, familiengeführten Unternehmen, das Windenergieanlagen entwickelt, herstellt, verkauft und wartet, wechselte Yannic Zimmer als Servicetechniker zum Windenergiekonzern Senvion. „Der Job hat mir viel Spaß gemacht, und die Arbeitsbedingungen waren hervorragend“, erzählt er.
Fachschule öffnet Türen
Doch als der Konzern 2019 Insolvenz anmeldete, musste Yannic Zimmer seine berufliche Zukunft neu denken. Weil lange nicht klar war, ob es eine Zukunft für seine Sparte gab, entschied er sich, an der Eckener Schule Flensburg die Fachschule zu besuchen, um sich zum „Staatlich geprüften Techniker für Windenergietechnik“ ausbilden zu lassen. Diese Aufstiegsfortbildung ermöglichte ihm, Führungsaufgaben und anspruchsvolle Tätigkeiten in der Windbranche auszuüben. Auch wenn er dafür erneut die Schulbank drücken und auf Gehalt verzichten musste, bereut er diese Entscheidung nicht – im Gegenteil: „Das war der richtige Schritt für mich. Bei Senvion war ich am Ende der Karriereleiter angelangt. Die Fachschule hat mir viele Türen geöffnet, die sonst verschlossen geblieben wären“, sagt Yannic Zimmer.
Yannic Zimmer kümmert sich um die Infrastruktur zwischen den Windenergieanlagen und dem firmeneigenen System.
Blick von einer Windkraftanlage
Faszinierende Technik
Konzentrierte Arbeitsatmosphäre: Yannic Zimmer an seinem Schreibtisch.
Heute arbeitet er bei einem der führenden Windparkentwickler Deutschlands. Er ist dafür zuständig, die komplette Infrastruktur zwischen den Windenergieanlagen und dem firmeneigenen System zu installieren, zu überwachen, zu optimieren und zu warten. Yannic Zimmer ist stolz darauf, mit seinem verantwortungsvollen Job die Energiewende mitzugestalten. „Windenergieanlagen faszinieren mich: Sie gehören nach den Wasserkraftwerken zu den größten Anlagen, die erneuerbare Energien erzeugen. Ich bin gespannt darauf, wie sie sich in Zukunft weiterentwickeln.“
„Windenergieanlagen sind ein Meisterwerk der Baukunst."
Rotorblätter im Nebel
Ove Petersen
Gründer und Geschäftsführer, Reußenköge
Ove Petersen, GP JOULE
Ove Petersen ist Mitbegründer und CEO von GP JOULE, einem Anbieter für regenerative Energieerzeugung aus Sonne, Wind und Biomasse. Das Unternehmen mit Hauptsitz im schleswig-holsteinischen Reußenköge betreut Projekte in Deutschland, Frankreich, Italien, Irland und Dänemark.
Ihr Unternehmen hat aktuell über 70 offene Positionen zu besetzen. Wen suchen Sie?
Im akademischen Bereich haben wir weniger das Problem, gute Leute zu finden. Doch vor allem Fachkräfte wie zum Beispiel in den Bereichen Elektronik oder Tiefbau sind rar gesät. Einen Engpass haben wir auch im kaufmännischen Bereich: Wir brauchen beispielsweise Industriekaufleute und Steuerfachangestellte.
Mit welcher Motivation bewerben sich Menschen bei Ihnen?
Bei uns gehen im Monat durchschnittlich ungefähr 500 Bewerbungen ein, davon sind 10 bis 15 Prozent Initiativbewerbungen. Das ist für uns eine große Chance. Wir haben ein klares Ziel: Wir wollen zukünftig 100 Prozent des weltweiten Energieverbrauches erneuerbar produzieren und erneuerbare Energie für alle zugänglich machen. Mit dieser Vision stecken wir auch andere an. Das gibt uns die Hoffnung, dass wir Menschen – sei es Facharbeiterinnen und Facharbeiter oder Managerinnen und Manager – finden, die nicht mehr an Sachen rumschrauben wollen, die der Vergangenheit angehören, sondern die mit uns die Zukunft aufbauen wollen.
An der Wasserstofftankstelle in Niebüll können private PKW, LKW und der öffentliche Nahverkehr regional und klimaneutral produzierten Wasserstoff tanken.
An der Wasserstofftankstelle in Niebüll können private PKW, LKW und der öffentliche Nahverkehr regional und klimaneutral produzierten Wasserstoff tanken.
GP JOULE Standort Reußenköge, Drohnenaufnahme
Bildet GP JOULE auch aus?
Ja, seit zwei Jahren. Wir haben im Kleinen angefangen und wollen das jetzt schrittweise ausbauen. Wir haben gemerkt, dass wir selbst die Menschen ausbilden müssen, die wir bei uns brauchen. Aktuell bieten wir die Ausbildung zum Elektroniker und zur Elektronikerin mit der Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik an. Im kommenden Jahr werden wir außerdem Industriekaufleute ausbilden. Die ersten guten Bewerbungen liegen uns schon vor.
Im Einsatz für eine nachhaltige Zukunft: zwei Servicemitarbeiter von GP JOULE
Was braucht es, um junge Menschen für einen Ausbildungsberuf zu gewinnen?
Zunächst einmal müssen wir uns als Unternehmen auf die Jugendlichen von heute einstellen. Sie haben ganz andere Bedürfnisse als die Generation vor ihnen. Wenn ich heute Auszubildende motivieren möchte, muss ich ihnen aufzeigen, dass ihre Arbeit Sinn macht, dass sie etwas verändern können. Daraus entsteht Eigenmotivation. Das kann nur gelingen, wenn sie ein starkes Zielbild entwickeln können. Entscheidend ist auch, dass wir die Wahrnehmung des Handwerks stärken. Eine Lehre sollte die gleiche gesellschaftliche Anerkennung erhalten wie ein Studium. Ich selbst habe auch erst eine Lehre zum Landwirt gemacht, bevor ich studiert habe. Das hat mir in meiner Entwicklung sehr geholfen.
„Menschen bewerben sich bei uns, weil sie cool finden, was wir machen.“
Arne Rohbrecht ist überzeugt: Er und sein Team haben einen Beruf mit Zukunft. „Wenn man diesen Beruf erlernt, braucht man sich den Rest seines Lebens keine Sorgen mehr zu machen“, sagt er. Arne Rohbrecht hat seit 1999 einen eigenen Heizungs- und Sanitärbetrieb. Zusammen mit seinem sechsköpfigen Team installiert er Heizungen und Sanitäranlagen vor allem für Kundinnen und Kunden, die in Einfamilienhäusern leben. „In den 23 Jahren, seit es meinen Betrieb gibt, musste ich meine Mitarbeiter höchstens an fünf, sechs Tagen mittags nach Hause schicken, weil es nichts mehr zu tun gab“, so Arne Rohbrecht.
Montage einer Wärmepumpe, die umweltfreundlich und effizient heizt.
Montage einer Wärmepumpe, die umweltfreundlich und effizient heizt.
Nachfrage übersteigt Angebot
Wer eine umweltfreundliche Wärmepumpe, die die in Luft, Wasser und im Erdreich gespeicherte Energie in Heizwärme umwandelt, bei ihm in Auftrag gibt, muss sich mindestens ein Jahr gedulden. Die Lieferzeiten sind lang und die Nachfrage so groß, dass Arne Rohbrecht und sein Team kaum hinterherkommen. Im Moment kann sich das Unternehmen vor Aufträgen kaum retten, manchen Neukundinnen und Neukunden muss Arne Rohbrecht sogar absagen.
Mit Wärmepumpen können die Energiekosten gesenkt und gleichzeitig das Klima geschützt werden.
Mit Wärmepumpen können die Energiekosten gesenkt und gleichzeitig das Klima geschützt werden.
Azubis dringend gesucht
„Der Branche fehlt Personal. Ich selbst würde gern ein, zwei Kollegen mehr einstellen“, sagt Arne Rohbrecht. Es kämen nicht genug junge Leute nach, die ältere Handwerker ersetzten. „Seit der Gründung vor über zwanzig Jahren hatte ich nur sieben Bewerber, die sich für einen Ausbildungsplatz interessiert haben. Davon waren nicht mal alle Bewerber schulisch ausreichend qualifiziert, andere haben ihre Lehre vorzeitig abgebrochen“, so der Heizungsexperte. Dabei würde Arne Rohbrecht gern selbst ausbilden: „Ich wünsche mir junge Menschen, die sich für diesen Beruf begeistern.“
„Ich darf mich als Unternehmer nicht beschweren, dass es keinen Nachwuchs gibt, wenn ich nicht selbst ausbilde."
Monteur und Wärmepumpe
Marten Jensen
Geschäftsführer, Enge-Sande
Marten Jensen, GreenTEC Campus GmbH
„You are entering the Future-Zone” steht in großen Lettern auf dem Schild am Eingang des GreenTEC Campus in Enge-Sande, einer kleinen Gemeinde im Nordwesten Schleswig-Holsteins. Der Spruch erinnert augenzwinkernd an die Vergangenheit des Geländes, das lange für militärische Zwecke genutzt wurde, bis Marten Jensen das rund 130 Hektar große Areal 2011 kaufte, um hier seine Ideen für eine nachhaltigere Zukunft zu erproben. Er nennt es „Spielwiese“, aber der GreenTEC Campus ist viel mehr als das.
Die Kleinwindanlage EasyWind ist eine Option für die private Stromerzeugung.
Die Kleinwindanlage EasyWind ist eine Option für die private Stromerzeugung.
Zahlreiche Unternehmen haben sich hier angesiedelt. Dazu gehört zum Beispiel die Firma WindCloud, die ihr CO2-absorbierendes Rechenzentrum mit grünem Strom versorgt und die Abwärme für eine Algenzucht nutzt. Die Firmen Easywind und SunOyster produzieren auf dem GreenTEC Campus ihre innovativen Kleinwind- und Solaranlagen. Das Unternehmen SunFarming zeigt, wie Agri-Solarnutzung funktioniert. Im Trainingszentrum OffTEC werden unter anderem Mitarbeitende der Windenergiebranche auf ihre anspruchsvollen Aufgaben vorbereitet.
Die Firma Windcloud versorgt ihr Rechenzentrum zu 100 Prozent mit physikalisch grünem Strom, größtenteils aus Windenergie.
Die Firma WindCloud versorgt ihr Rechenzentrum zu 100 Prozent mit physikalisch grünem Strom, größtenteils aus Windenergie.
GreenTEC Campus, Drohnenbild
Mutig in die Zukunft
Rund 250 Menschen arbeiten auf dem Gelände, 120 davon gehören zum Team von Marten Jensen. Er ist überzeugt: „Jede noch so gut entwickelte Technik nützt nichts, wenn wir die Menschen dazu nicht finden.“ Statt Skepsis, Unsicherheit und Ängste brauche es junge Leute, die mit Mut, Weitblick und Motivation die Energiewende gestalten wollten. Gefragt sind aus seiner Sicht nicht nur Ingenieurinnen und Ingenieure, sondern vor allem auch Technikerinnen und Techniker sowie Handwerkerinnen und Handwerker: „Wenn eine Windkraftanlage mal stillsteht, wird das für den Betreiber sofort teuer. Monteure, die dann hochklettern und die Anlage reparieren, sind eigentlich unbezahlbar. Ihr Jahresgehalt wird in Zukunft weiter steigen.“
„Fachkräfte, die mit Leidenschaft einen Maulschlüssel in die Hand nehmen, fehlen ganz besonders.“
Die Firma SunOyster produziert auf dem GreenTEC Campus ihre innovativen Kleinsolaranlagen.
Sina Clorius
Pressesprecherin, Husum
Die Netzwerkagentur Erneuerbare Energien Schleswig-Holstein bringt die Forschung mit der Branche der erneuerbaren Energien zusammen. Sie berät und informiert Unternehmen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Sina Clorius ist für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Netzwerkagentur zuständig.
Wie geht es der Branche der erneuerbaren Energien in Schleswig-Holstein?
Die Unternehmen kämpfen mit verschiedenen Herausforderungen. Dazu zählen unter anderem die gestiegenen Rohstoffpreise und lange Lieferzeiten. Viele haben das Gefühl, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien zu langsam vorangeht. Gleichzeitig ist mein Eindruck, dass es zum Teil an Aufbruchsstimmung fehlt. Zum Glück gibt es zahlreiche Unternehmen, die mutig sind und innovativ nach vorne gehen. Da fällt mir zum Beispiel ein Matratzenhersteller ein, der auf den Dächern seiner Produktionshallen Solaranlagen installiert hat und seinen Näherinnen E-Bikes zur Verfügung stellt. Diese Einstellung brauchen wir.
Bauen für die Zukunft: Hier entsteht eine neue Windenergieanlage von Enercon. Das Unternehmen mit Stammsitz im ostfriesischen Aurich zählt sich zu den weltweit führenden in der Branche.
Bauen für die Zukunft: Hier entsteht eine neue Windenergieanlage von Enercon. Das Unternehmen mit Stammsitz im ostfriesischen Aurich zählt sich zu den weltweit führenden in der Branche.
Welche Rolle spielt der Fachkräftemangel?
Der Fachkräftemangel beginnt schon in der überlasteten Verwaltung. Planerinnen und Planer berichten immer wieder davon, dass Projekte sich verzögern, weil Genehmigungen nicht rechtzeitig erteilt werden. Ist dann alles startklar, kriegen sie vielleicht keinen Kran, weil die Maschinenführer fehlen. Und natürlich suchen die Unternehmen massiv Technikerinnen und Techniker sowie Ingenieure und Ingenieurinnen, aber auch Logistikerinnen und Logistiker sowie Kaufleute.
In Schleswig-Holstein werden viele Prototypen von Windenergieanlagen getestet. Für das Windtestfeld-Nord wurde ein eigenes kleines Umspannwerk errichtet.
In Schleswig-Holstein werden viele Prototypen von Windenergieanlagen getestet. Für das Windtestfeld-Nord wurde ein eigenes kleines Umspannwerk errichtet.
Wie kann man dem Fachkräftemangel begegnen?
Der Fachkräftemangel erfordert ein komplexes Maßnahmenpaket. Im Grunde genommen müssen wir schon in der Schule damit anfangen und Kinder – vor allem Mädchen – stärker für technische Berufe begeistern. Schulen könnten dafür stärker mit den entsprechenden Hochschulen und Unternehmen zusammenarbeiten.
„Frauen sind in den Berufen, die wir für die Energiewende brauchen, noch deutlich unterrepräsentiert.“
Lars Hückstädt ist in die Fußstapfen seines Vaters und seines Onkels getreten: Er führt das Plöner Familienunternehmen Hückstädt. Die rund 30 Mitarbeitenden der Sanitär- und Heizungsfirma installieren unter anderem Solaranlagen und Wärmepumpen.
Lars Hückstädt, Klaus Hückstädt und Jürgen Hückstädt
Was schätzen Sie an Ihrem Beruf?
Zum einen ist der Job spannend und vielseitig. Zum anderen zeichnet ihn besonders aus, dass wir dazu beitragen, die Lebensqualität unserer Kundinnen und Kunden täglich zu verbessern. Wir helfen den Leuten buchstäblich – zum Beispiel, dass sie morgens warm duschen können oder in ihrem Haus nicht frieren müssen. Und nicht zuletzt ist alles, was wir tun, eine Teamleistung: Der eine berät den Kunden und schreibt den Auftrag, der Nächste kümmert sich darum, dass alle benötigten Teile zur Verfügung stehen, und jemand weiteres setzt den Auftrag um.
Welche Herausforderungen müssen Sie aktuell bewältigen?
Die aktuell langen Lieferzeiten sind ein echtes Problem. Vieles wird im Ausland gefertigt, und ist die Ware erst einmal bei uns, ist sie auch nicht immer einsatzbereit, weil einzelne Teile fehlen. Wir brauchen aber nicht nur das Material, sondern auch die Mitarbeitenden. Ohne sie geht gar nichts. Leider stellen wir immer mehr fest, dass der Beruf des Anlagenmechanikers für die Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden Schulen nicht mehr so interessant ist. Wir nehmen jedes Jahr ein bis zwei Auszubildende bei uns auf. Passende Bewerberinnen und Bewerber zu finden, ist aber schwierig bis unmöglich. Bislang profitieren wir davon, dass wir in der Region gut vernetzt sind. Einer unserer Auszubildenden ist über ein Praktikum zu uns gekommen, der andere über Vitamin B.
Zeitgemäß und effizient: Dank digitaler Tools sind Aufträge und Unterlagen immer griffbereit.
Zeitgemäß und effizient: Dank digitaler Tools sind Aufträge und Unterlagen immer griffbereit.
Wie reagieren Sie als Arbeitgeber darauf?
Wir geben uns sehr viel Mühe, dass die Mitarbeitenden einen guten Arbeitsplatz haben. Dazu gehören neben einem soliden Gehalt ein Pausen- und ein Fitnessraum. Wir stellen das beste Werkzeug zur Verfügung und versuchen, die Arbeitsabläufe so schlank wie möglich zu halten. Die Digitalisierung hilft uns dabei: Jeder Monteur hat ein eigenes Tablet. Dorthin schicken wir die Aufträge und alle Unterlagen, so hat der Monteur immer alles dabei. Wir versuchen, Leerlaufzeiten zu minimieren und Abläufe zu optimieren. Gleichzeitig tun wir alles dafür, um unseren Mitarbeitenden zu helfen, ihre Arbeit so lange wie möglich ausführen zu können – zum Beispiel durch Anhänger, die flacher beladen werden können, oder sogenannte Exoskelette, die die Belastung der Schultern und Arme bei Überkopfarbeiten reduzieren. Klar, das sind Investitionen, aber wir brauchen die Menschen auch. Wir finden nicht für jedes Teammitglied, das bei uns in Rente geht, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger.
„Wer ein Handwerk beherrscht, wird überall mit Kusshand genommen.“
Ausgebildete Facharbeiterinnen und Facharbeiter aus den Bereichen Maschinen- und Elektrotechnik können seit 2009 an der Fachschule für Technik und Gestaltung der Eckener Schule Flensburg den in Deutschland einmaligen Ausbildungsgang „Staatlich geprüfte/r Techniker/in für Windenergietechnik“ absolvieren. Zuständig für die Fachrichtung ist Berufsschullehrer Marc Kleinschmidt.
Schüler der Fachrichtung Windenergietechnik präsentieren Projektergebnisse.
Was haben die beruflich schon erfahrenen Schülerinnen und Schüler gemeinsam, die sich für die Fachrichtung Windenergietechnik entscheiden?
Sie möchten sich weiterentwickeln und aufsteigen. Sie wollen nicht nur als Servicemonteurinnen und -monteure die Windkraftanlage reparieren, sondern verantwortungsvollere Aufgaben übernehmen und zum Beispiel den Bau von Windparks koordinieren oder für die Betriebsführung zuständig sein. Die Fachschule befähigt sie dazu und macht sie zu Expertinnen und Experten mit beruflicher Praxis. Und sie finden hier ein Lernklima auf Universitätsniveau, in dem sie sich entfalten können. Viele von ihnen interessieren sich für das Thema erneuerbare Energien und wollen bewusst die Energiewende mitgestalten. Ein großer Teil von ihnen kommt aus Schleswig-Holstein, aber wir hatten auch schon Schülerinnen und Schüler aus anderen Bundesländern. Ich denke da zum Beispiel an einen Schüler, der zuvor bei einer kleinen Firma in Bayern Sportflugzeuge gebaut hat. Er kündigte und kam zu uns, weil ihm Nachhaltigkeit am Herzen liegt und die Windenergiebranche eine Zukunftsbranche ist.
Die Schüler bereiten sich darauf vor, verantwortungsvollere Aufgaben in der Windbranche zu übernehmen.
Wie hat sich die Nachfrage nach dem Ausbildungsgang im Laufe der Zeit entwickelt?
Als wir 2009 starteten, gab es noch Unsicherheiten. Die erste Klasse füllte sich vor allem, weil wir Schülerinnen und Schüler von der Windenergietechnik überzeugt haben, die eigentlich die Fachrichtung Elektrotechnik oder Maschinentechnik gewählt hatten. Danach kamen ja erst die richtig großen Boom-Jahre der Windenergie. Das haben viele genutzt, um einen Arbeitsplatz in der Branche zu bekommen. Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 waren die Klassen randvoll. Über die Jahre flaute die Nachfrage dann immer mehr ab. Das hat verschiedene Gründe. Firmen können ihre Fachkräfte nicht für zwei Jahre entbehren, die Fachkräfte selbst haben so sichere und gut bezahlte Jobs, dass es für sie keinen Anreiz gibt, nochmal zur Schule zu gehen. Dieses Problem betrifft Fachschulen in ganz Deutschland, unabhängig von den Fachrichtungen. Unsere Schülerzahlen haben sich seit 2012 halbiert. Nach Jahren mit nur drei, vier oder sechs Schülerinnen und Schülern in der Fachrichtung Windenergietechnik hatten wir im Schuljahr 2021/2022 erstmals gar keine Anmeldung mehr. Das Angebot besteht aber weiterhin.
Immer weniger Schülerinnen und Schüler entscheiden sich für die Aufstiegsqualifizierung.
Immer weniger Schülerinnen und Schüler entscheiden sich für die Aufstiegsqualifizierung.
Suchen die Unternehmen nicht händeringend nach gut ausgebildetem Personal?
Die Nachfrage bei den Firmen ist riesengroß. Die Unternehmen rufen regelmäßig bei mir an und fragen, ob ich nicht eine Absolventin oder einen Absolventen hätte, den ich ihnen empfehlen kann. Wenn es danach geht, könnten wir sicher zwei oder drei Klassen aufmachen, um den Bedarf zu decken.
„Abitur und Studium gelten leider immer noch als der Königsweg. Dabei sind zahlreiche Lehrberufe hoch lukrativ und bieten attraktive Karrieremöglichkeiten."
Die Welt retten – nicht weniger machen die Menschen, die in ihrem Beruf daran arbeiten, dass die Energiewende gelingt. Davon ist Nicole Knudsen überzeugt. „Und das tun sie nicht für unsere Generation, sondern auch für die folgenden. Das macht die Berufsbilder höchst attraktiv. Das müsste man nur besser kommunizieren“, sagt die Projektkoordinatorin der Landesgeschäftsstelle Schleswig-Holstein des Bundesverbandes WindEnergie.
Nicole Knudsen ist beim Bundesverband WindEnergie e.V. in Schleswig-Holstein für die Projektentwicklung zuständig.
Verhaltene Stimmung
Nicole Knudsen weiß, wovon sie spricht. Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen sind die Interessenvertretung der Branche gegenüber Politik, Gesellschaft und Öffentlichkeit. „Die Stimmung war in der Vergangenheit ein bisschen verhalten, das hatte auch etwas mit den politischen Vorgaben aus Berlin zu tun. Doch dass erneuerbare Energien ausgebaut werden müssen, um die Energiewende auch nur annähernd noch zu schaffen, ist inzwischen allen klar. Die Unternehmen sitzen in den Startlöchern und möchten investieren", erklärt sie.
Auch Biogas, das in Biogasanlagen wie dieser in Nordfriesland erzeugt wird, ist ein wichtiger Bestandteil der Energiewende.
Auch Biogas, das in Biogasanlagen wie dieser in Nordfriesland erzeugt wird, ist ein wichtiger Bestandteil der Energiewende.
Quereinsteigende gesucht
Doch auch der Fachkräftemangel treibt die Unternehmen um: „Es fehlen Fachkräfte sowohl aus dem handwerklichen Bereich als auch aus dem akademischen.“ Weil es kaum auf die Wind- oder Solarenergie bezogene Berufsbilder gibt, werden viele Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger gesucht. „Die Bereitschaft der Unternehmen, quereinsteigende Personen einzustellen und entsprechend weiterzuqualifizieren, ist riesig“, sagt die Projektkoordinatorin. Doch das allein reiche nicht, um ausreichend Personal zu finden. „Die Unternehmen müssen bereit sein, ihren Blick zu weiten und nicht nur in ihrem direkten Umfeld junge Menschen zu akquirieren, sondern deutschland-, europa- und weltweit“, so Nicole Knudsen.
Neue Landlust
Die Tatsache, dass Schleswig-Holstein ein dünn besiedeltes Flächenland ist, ist aus ihrer Sicht Herausforderung und Vorteil zugleich: „Die Fachkräfte müssen nicht wegziehen, sondern werden vor Ort, in ihrer Heimat, dringend gebraucht. Sie finden in Schleswig-Holstein hoch qualifizierte Jobs, verbunden mit landschaftlicher Schönheit, einer hohen Lebensqualität und einer guten Infrastruktur.“
Die Lebensqualität in Schleswig-Holstein ist unermesslich hoch.“
An der Wasserstofftankstelle in Niebüll können private PKW, LKW und der öffentliche Nahverkehr regional und klimaneutral produzierten Wasserstoff tanken.
Montage einer Wärmepumpe, die umweltfreundlich und effizient heizt.
Mit Wärmepumpen können die Energiekosten gesenkt und gleichzeitig das Klima geschützt werden.
Die Kleinwindanlage EasyWind ist eine Option für die private Stromerzeugung.
Die Firma WindCloud versorgt ihr Rechenzentrum zu 100 Prozent mit physikalisch grünem Strom, größtenteils aus Windenergie.
Bauen für die Zukunft: Hier entsteht eine neue Windenergieanlage von Enercon. Das Unternehmen mit Stammsitz im ostfriesischen Aurich zählt sich zu den weltweit führenden in der Branche.
In Schleswig-Holstein werden viele Prototypen von Windenergieanlagen getestet. Für das Windtestfeld-Nord wurde ein eigenes kleines Umspannwerk errichtet.
Zeitgemäß und effizient: Dank digitaler Tools sind Aufträge und Unterlagen immer griffbereit.
Immer weniger Schülerinnen und Schüler entscheiden sich für die Aufstiegsqualifizierung.
Auch Biogas, das in Biogasanlagen wie dieser in Nordfriesland erzeugt wird, ist ein wichtiger Bestandteil der Energiewende.