Projektstudium: Die Geschichte von Halle-Neustadt

Mit Erfahrungsbericht von Dr. Erwin Bartsch


Geschichte Halle-Neustadts

Frühere Überlegungen von 1881 bis 1920er


DDR 1958-1980: Die Wachstumsjahre der neuen Stadt

Im Jahr 1958 wurde auf der Konferenz des SED-Zentralkomitees „Chemieprogramm der DDR“ beschlossen, mehr Arbeitskräfte in der Nähe der Chemiestandorte Buna-Schkopau und Leuna anzusiedeln. Nach umfangreichen Standortuntersuchungen kam es dann im Oktober 1960 dazu, dass die Stadtverordnetenversammlung und der Rat der Stadt Halle dem Neubau eines Wohnbezirkes westlich von Halle zustimmten. Das SED-Politbüro beschließt 1963 die „Grundlinie für den Aufbau der Chemiearbeiterstadt“. Die Ortschaft Passendorf wurde dabei teilweise abgerissen und im September begannen die Erschließungsarbeiten. Richard Paulick leitete als Chefarchitekt den Aufbau der neuen Stadt. Im Juli 1964 erfolgte die Grundsteinlegung für die neue sozialistische Wohnstadt. Nach einer 18monatigen Bauzeit wurde die Produktion der Betonfertigteile im Großplattenwerk aufgenommen. Im August 1965 konnten die ersten acht Familien, welche in Buna beschäftigt waren, im ehemaligen Block 612 einziehen. Bis zum Ende des Jahres wurde durch den Abschluss des Baus von 680 Wohnungen Wohnraum für über 1.000 Menschen geschaffen. Mit der Fertigstellung der Haltestelle „Zscherbener Straße“ wurde der Betrieb 1967 der S-Bahnstrecke zu den Buna-Werken aufgenommen. Die Trennung von der Stadt Halle erfolgte und Halle-Neustadt erhielt am 14.07.1967 das Stadtrecht. Bis zum Ende des Jahres waren bereits 2.810 Wohnungen fertiggestellt.

Animation der Blocknummern in den WKs


Halle Neustadt während der Wende (1981-2000)

Ein weiteres wichtiges Ziel der Stadt war eine durchgehende Begrünung. Sie „besteht aus 11.200 Starkbäume, 565.000 Heistern und Bäumen, 990.000 Zier- und Decksträuchern, 213.000 Rosen, 492.000 Stauden und Gräsern sowie 6.100 Nadelgehölze“ (vgl. Pasternack et al. 2014, S. 548). Bis 1989 sind 42% der Gesamtfläche Grün- und Freiflächen. Das entspricht ca. 30m2 pro Einwohner. Weiterhin sind ca. 80% der öffentlichen Einrichtungen behindertengerecht und mit Rollstuhlrampen ausgerüstet. Im Jahr 1982 wurde das Kino „Prisma“ im Stadtzentrum eröffnet. 1983 begann der Bau des letzten Wohnkomplexes, auch Südpark genannt, und die Stadt erreicht mit 97.800 Einwohnern ihren Höchststand. Bis Ende des Jahres 1990 ist diese wieder auf knapp 90.000 Einwohner gesunken. Die 90er Jahre der Stadt wird auch als kritische Phase bezeichnet. 1990 wurde eine Einwohnerbefragung zur Wiederangliederung der Neustadt an Halle durchgeführt. Dabei stimmten 66% für eine Fusionierung. In Folge erhalten die Neustädter Straßen 1991 „normale“ Straßennamen und die Blocknummern wurden abgeschafft. In den ersten Jahren nach dem Mauerfall sind mehr als 10.000 Personen in die alten Bundesländer abgewandert. Weiterhin ist infolge des Zusammenbruchs der Chemiewerke und der Umstellung auf hochproduktive Anlagen eine große Zahl an Arbeitsplätzen verloren gegangen. Im Mai 1994 ergab eine Bürgerumfrage das ca. 40% der Bewohner Pläne für einen Umzug haben und somit ging auch eines der zentral prägenden Elemente des Stadtteils verloren. Nur noch die Gründergeneration lebt gerne in diesem Stadtteil. „Ausgezogen ... sind zuallererst die erwachsenen Kinder der Gründergeneration ... Ausgezogen ist die höher gebildete, einkommensstärkere Mittelschicht mit sicheren Arbeitsverhältnissen ... Die Zuzügler in die Neustadt sind in der Regel Menschen, die sich den Wohnstandort nicht ganz so frei wählen können.“ (vgl. Pasternack et al. 2014, S. 416). Dadurch kommt es zu einer Segregation. Durch den nun nicht mehr benötigten Wohnraum beträgt der Wohnungsleerstand 2001 19,3%. Weiterhin sind 12,5% der Wohnungen zum Abriss im Zeitraum zwischen 2002 und 2010 freigegeben. Somit beschließt auch am 20.06.2001 der Stadtrat das „Neuordnungskonzept für den Stadtteil Halle-Neustadt“. Teile des Stadtteils werden im Projekt URBAN 21 aufgenommen, wodurch sieben Projekte zur Aufwertung saniert werden. Ein Beispiel ist die Neustädter Passage und das Landesvermessungsamt für Geoinformation und Vermessung.


Halle Neustadt bis heute (2001-heute)

Im Laufe der 2000er Jahre bis heute wird Halle-Neustadt Teil von mehreren Handlungskonzepten zur Aufwertung dieses Stadtteils. Diese sind URBAN 21, die erste und zweite Fortschreibung des „Soziale Stadt Neustadt 2025“ Konzeptes, des ISEK 2025 und des Zukunftsstadtprojektes „halle.neu.stadt 2050“. Die heute dominierende Wohnform in Halle-Neustadt sind Rentner- und jüngere zwei Personen Haushalte. Deswegen wird zum Erreichen einer höheren Attraktivität für Familien die Wohnungszuschnitte angepasst und sogar private Grünflächen zur Verfügung gestellt. Bis heute sind von privaten Eigentümern und Wohnungsgenossenschaften 60% der Gebäude in Halle-Neustadt saniert und 30% teilsaniert.

Das größte aktuelle Projekt in der Neustadt stellen die Hochhausscheiben dar. Während Scheibe A vollständig von außen saniert ist  (Stand 12.06.2021) und Teile der Stadtverwaltung noch dieses Jahr einziehen werden, sollen weiterhin in Scheibe C Städtebau-Fördermittel fließen, damit die Sanierung nicht scheitert.2 Ende 2019 wurde der Umbau des ehemaligen Rathauses für 11 Millionen Euro abgeschlossen. Dort hat heute das Landesvermessungsamt für Geoinformation und Vermessung seinen Sitz.3 In den nächsten Jahren soll der Skatepark an der Magistrale, welcher ein beliebter Treffpunkt für Kinder und Jugendliche ist, durch ein Café erweitert werden.4 Weiterhin ist geplant, in der Muldestraße ein neues Wohngebiet mit 370 Wohnungen als Smart-Home Modell und autofreies Quartier entstehen zu lassen.5

Beispiel Sanierung 1

Beispiel Sanierung 2


Außerdem möchten wir uns über diesen Weg nochmals ausdrücklich für die gute Kooperation mit der Geschichtswerkstatt Halle-Neustadt, insbesondere Ralf Hühne und natürlich Dr. Erwin Bartsch, bedanken. Sie stellten uns zahlreiche Informationen, Karten und persönliche Erfahrungen bereit.

Animation der Blocknummern in den WKs

Beispiel Sanierung 1

Beispiel Sanierung 2