Nachhaltiger Flächenverbrauch im ZRK

Elgershausen als Pilotprojekt zur Minimierung des Verbrauchs an Fläche durch die nachhaltige Maximierung ihrer Nutzung

Einführung

Zahlreiche politische Vorgaben und Ziele beschäftigen sich mit dem Thema der Nachhaltigkeit in der Siedlungs- und Landschaftsentwicklung – doch was bedeutet das eigentlich? Im Rahmen des Projektes  Nachhaltige Siedlungs- und Landschaftsentwicklung im suburbanen Raum: das Beispiel Kassel , wird diese Fragestellung genauer untersucht und auf Spannungen zwischen dem Anspruch und der Wirklichkeit Bezug genommen. Diese Projektarbeit beleuchtet die nachhaltige Siedlungs- und Landschaftsentwicklung insbesondere aus der materiellen Perspektive und stellt den Boden beziehungsweise die Fläche als zentrales Element in den Vordergrund; denn was heute auf der Fläche geplant, gebaut und entwickelt wird, ist und bleibt langfristig Bestandteil der Städte und Gemeinden. Die Frage nach dem Boden ist somit auch die Frage danach, wie wir in Zukunft leben möchten – und wie nachhaltig gewirtschaftet werden kann, um diese Zukunft zu ermöglichen.

Der  Zweckverband Raum Kassel (ZRK)  und seine Mitglieder planen, bis 2030 den Bau von 22.000 neuen Wohnungen zu ermöglichen. Im Rahmen des Studienprojektes wird am Beispiel des Ortes  Elgershausen  herausgearbeitet, inwieweit sich dieser Bedarf durch Innenentwicklungsmaßnahmen realisieren lässt. Das Ziel ist die Minimierung des Verbrauchs an Fläche durch die nachhaltige Maximierung ihrer Nutzung im Innenbereich. Dafür wurden örtliche  Analysen  durchgeführt und darauf aufbauend zwei  Szenarien , mehrere  Maßnahmen  und eine  Umsetzungsstrategien  entwickelt.

Flächenverteilung in Deutschland

Knapp über 50 % der Fläche der Bundesrepublik entfällt gegenwärtig auf die Landwirtschaft, etwa 30 % auf Waldflächen und rund 14 % auf Siedlungs- und Verkehrsflächen (vgl. Statistisches Bundesamt 2020).

Flächenanteile nach Nutzung an gesamtdeutscher Fläche

Auf den ersten Blick mag das nach einer akzeptablen Verteilung klingen. Anders als die Landwirtschafts- und Waldfläche wächst jedoch die Fläche für Siedlung und Verkehr stetig weiter an – und führt unweigerlich überall dort zu Flächennutzungskonflikten, wo für eine Siedlungserweiterung oder den Bau einer Straße beispielsweise Ackerland oder Waldboden in Anspruch genommen wird. Erst im Jahr 2020 wurde das ursprüngliche Ziel der Bundesregierung von 30 Hektar neu entwickelter Fläche durch die Siedlungs- und Verkehrsentwicklung mit rund 56 Hektar um fast das doppelte überboten bzw. verfehlt. Doch statt einschneidenden und juristischen Maßnahmen zur Reduzierung des Flächenverbrauchs wurde lediglich der Zeithorizont zur Erreichung des 30 ha Ziels auf das Jahr 2030 verschoben (vgl. NABU 2020).

Basierend auf den soeben genannten Umständen, ergeben sich für das Projekt, das sich unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit mit dem Thema Fläche auseinandersetzt, folgende Leitaspekte: Die Fläche und die Böden sind als wertvolles Gut zu verstehen, dessen...

  1. Verbrauch durch Neuinanspruchnahme bzw. Versiegelung vermindert oder verhindert werden sollte.
  2. Zugänglichkeit und Verfügbarkeit für möglichst große Teile der Bevölkerung sichergestellt sein sollte.
  3. effiziente Nutzung eine teilweise Neuinanspruchnahme bzw. Versiegelung rechtfertigen könnte.

Insgesamt gilt es den Boden, der etwa 2.000 Jahre braucht, um wieder fruchtbar zu werden (vgl. NABU 2021) zu schonen, zu erhalten und für kommende Generationen in bestmöglichem Zustand zu hinterlassen.


Grundlagen

Flächeninanspruchnahme als Problem

Der Flächenverbrauch ist eines der großen umkämpften und breit diskutierten Themenfelder der nachhaltigen Siedlungsentwicklung – global, bundesweit (vgl. Adrian u. a. 2018: 38 ff.) und dementsprechend auch vor Ort im Verbandsgebiet des ZRK. Das Thema wurde bereits vielschichtig aufgearbeitet, sodass eine Annäherung an die aktuellen Verhältnisse, Problematiken und Lösungsstrategien mithilfe einer Literaturrecherche möglich sind. Zuerst stellt sich die Frage, weshalb das Maß und die Qualität der Flächenversiegelung überhaupt eine so große Rolle spielen.

  1. Ökosystemische Folgen: Die fortschreitende Flächenversiegelung führt zum Verlust fruchtbarer Böden und schränkt die Grundwasserneubildung ein; die Filterkapazität der Erde geht verloren, ebenso Lebensräume für Flora und Fauna.
  2. Ökologische Flächennutzung wird verhindert: Zuvor zusammenhängende Landschaftsräume werden zerschnitten, die Mobilität von Tieren und die Erreichbarkeit von Erholungsräumen für Menschen reduziert. Neben den negativen Auswirkungen auf das Mikro- und Mesoklima werden die verfügbaren Flächen für klimaneutrale Energieerzeugung beschnitten.
  3. Soziale Folgen in den Gemeinden: Eine weitgehende Zersiedelung der Orte führt zu geringerer Dichte und Verödung der Gemeindezentren, während der Aufwand zum Erreichen grundlegender Infrastruktur für die Bevölkerung zunimmt.
  4. Ungerechte Ressourcenverteilung: Die Gesellschaft trägt die Kosten der Erschließung und des Unterhalts technischer und sozialer Dienstleistungen, während die Bevölkerung in den suburbanen Räumen einen vergleichsweise hohen Ressourcenverbrauch entwickelt.
  5. Volkswirtschaftliche Folgekosten: Verringert sich die Bevölkerungsdichte in der Siedlung im Laufe ihres Lebenszyklus, steigen die Kosten für den Erhalt von Bausubstanz und Mobilität zusätzlich.

Zersiedelung – Beeinträchtigung des Ökosystems und infrastruktureller Mehraufwand

Flächeninanspruchnahme im Kontext des Projektes bedeutet die Nutzungsänderung von Flächen im Außenbereich durch Umwandlung in Siedlungs- und Verkehrsfläche. Als qualitativer Faktor kommt die Zerschneidung der Landschaft hinzu. Flächenversiegelung hingegen bedeutet die tatsächliche Überbauung von Flächen bei gleichzeitigem Verlust der dadurch blockierten Bodenfunktion. Tatsächlich sind nur etwa 50 % der Siedlungsbereiche versiegelt (Meinel u. a. 2020: 236). Beide Aspekte dienen als Indikatoren, um verschiedene Qualitäten des Flächenverbrauchs abzubilden. Während eine hohe Flächeninanspruchnahme nicht mit dem (vollständigen) Verlust der Bodenfunktion gleichzusetzen ist, kann ein hoher Versiegelungsgrad auf eine geringe Flächeninanspruchnahme pro Kopf hindeuten.

„Let's Talk About Soil" - Warum verantwortungsvoller Bodenschutz essenziell ist

Das Beispiel Verkehr

Neben der Nutzung der Fläche für Gebäude zum Wohnen und Arbeiten, nimmt auch der Verkehr viel Platz ein. Die Verfügbarkeit und Wahl des Verkehrsmittels hängt wesentlich von der Siedlungsdichte ab – je weiter die Distanzen, desto weniger lassen sich ÖPNV und Nahversorgung rentabel betreiben. Auch für die Verwendung von Fahrrädern werden die Distanzen schnell zu groß. Infolgedessen wird der Motorisierte Individualverkehr (MIV) wichtiger, während Wege länger und Straßen breiter werden.

Betrachtet man den Flächenverbrauch der einzelnen Verkehrsmittel, zeichnet sich ab, dass das Auto zur weiteren Zersiedelung und Versiegelung beiträgt: Mobilität braucht Platz, und der Pkw am meisten davon. Der Vergleich mit dem Umweltverbund (Bus-, Bahn-, Fahrrad- und Fußverkehr) zeigt, dass der Pkw bei durchschnittlicher Besetzung (1,4 Personen, circa 28 % Auslastung) im Flächenverbrauch schlechter dasteht als andere Verkehrsmittel, selbst wenn diese geringer ausgelastet sind (siehe Abbildung unten).

Flächensparen durch dichtere Bauweise reduziert somit indirekt den Flächenverbrauch zur Herstellung der zur Versorgung mit dem alltäglichen Bedarf benötigten Mobilität. Neben der gesundheitlichen Dimension in Bezug auf Lärmemission und Bewegung bietet der Verkehr somit ein weiteres zentrales Handlungsfeld zum Flächensparen. Es ist demnach wichtig, die Erreichbarkeit von Geschäften und anderen Zielen mittels kurzer Wege oder anderer Mobilitätsangebote sicherzustellen.

Vergleich des Flächenverbrauchs nach Verkehrsmittel, ruhend sowie bei 30 und 50 km/h


Strategien zum Flächensparen

Mit Blick auf den ZRK besteht Bedarf an Antworten auf die Frage, wie eine nachhaltige Siedlungs- und Landschaftsentwicklung in einer an Personen und Wohnraumbedarf wachsenden Region gewährleistet werden kann. Vor diesem Hintergrund dient der Flächenverbrauch als Superindikator für ökologisch nachhaltige Siedlungsentwicklung und zum Verhandlungsgegenstand sozialer Verteilungspolitik. Im Folgenden werden strategische Ansätze zum Flächensparen vorgestellt. Es gilt Maßnahmen und Lösungen anzubieten, die eine adäquate Verdichtung im Bestand und eine maßvolle Außenentwicklung ermöglichen. Die für die nachfolgende Analyse- und Konzeptarbeit lautet: Minimierung des Verbrauchs an Fläche im Außenbereich – bei gleichzeitiger Maximierung der Nutzung durch Verdichtung im Innenbereich. Dieses Ziel lässt sich anhand dreier Grundstrategien zur Reduktion der Flächeninanspruchnahme (vgl. Adrian u. a. 2018: 96 ff.) bewerkstelligen, die mit den drei Nachhaltigkeitsstrategien (Effizienz, Konsistenz, Suffizienz) korrespondieren:

  • Effizienz im Wirtschaften ermöglicht einen geringeren Ressourcenverbrauch – Effizienzsteigerung in der Flächennutzung bedeutet Qualität vor Fläche, also kompaktes Bauen und Nachverdichten.
  • Konsistenz von Systemen bedeutet, dass diese sich in Bezug auf Ressourcen selbst genügen – sie funktionieren in einer Kreislaufwirtschaft, die keine oder kaum zusätzliche Flächen in Anspruch nimmt. Dazu dient die Mobilisierung von Flächen im Innenbereich.
  • Suffizienz bietet Alternativen zum traditionellen Wachstumsgedanken – in diesem Fall unversiegelte Grünräume und qualifizierte Innenbereiche, statt großflächiger Versiegelung durch Neubau im Außenbereich (Kontingentierung).

Unter dem Begriff der Dreifachen Innenentwicklung versammelt sich ein breites Spektrum an Strategien und Maßnahmen, die sich in drei wesentliche Handlungsfelder unterteilen lassen: Nachverdichten, Grünräume entwickeln und Mobilität fördern. Der Vorteil der dreifachen Innenentwicklung ist, dass Biodiversität und Naherholung beim Nachverdichten mitgedacht werden. Das gleiche gilt für das Mitwachsen und Sichern der Nahversorgung durch den Bevölkerungszuwachs. Das Ziel ist die Mimimierung von Nutzungs- und Interessenskonflikten im Innenbereich – und das Erzeugen von Synergien zwischen Bestand und Neuentwicklung. Anwendung findet die Dreifache Innententwicklung als analytische und konzeptuelle Perspektive: Entwickelt sich ein Ort ausgewogen? Und mit welchen Instrumenten und Maßnahmen kann Ungleichgewicht im Zuge der Innenentwicklung ausgeglichen werden?

Teilbereiche und Strategien der dreifachen Innenentwicklung


Nachhaltige Siedlungsentwicklung im ZRK

Der ZRK grenzt im Norden des Landes Hessen an Niedersachsen und formiert sich aus der Gesamtheit der mittleren Großstadt Kassel im Zentrum, und den umliegenden Gemeinden. Der ZRK ist als Teil der Regionalverbände mit anderen Planungsregionen deutschlandweit vernetzt und sowohl Mitglied der Klimakommunen Hessen als auch Unterzeichner der Energiewendecharta Nordhessen (Quelle: ZRK-Website, Website Regionalverbände). Die Mitglieder des ZRK, namentlich der Landkreis Kassel, die Stadt Kassel und die Gemeinden Ahnatal, Baunatal, Calden, Fuldabrück, Fuldatal, Kaufungen, Lohfelden, Niesetal, Schauenburg und Vellmar, üben ihr Stimmrecht über die Verbandsversammlung aus (Quelle: ZRK-Website).

Der ZRK und seine Mitgliedsgemeinden sehen sich aktuell und voraussichtlich auch in den kommenden Jahrzehnten einem kontinuierlichen Wachstumsdruck ausgesetzt. Einerseits kann die Region wirtschaftlich und politisch von einem Bedeutungsgewinn profitieren. Andererseits stehen die interkommunale und die lokale Planung vor der schwierigen Aufgabe, die Belange des Wohnens, der Wirtschaft, des Verkehrs und der Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen. Sowohl der ZRK, der Landkreis, die Stadt Kassel, als auch die mit eigenem Planungsrecht ausgestatteten Gemeinden im Umland können sich schon heute dafür vorbereiten.

Die planungsbezogene Koordination im ZRK wird maßgeblich über informelle Instrumente, wie beispielsweise den  Verkehrsentwicklungsplan (KEP)  oder das  Siedlungsrahmenkonzept Wohnen und Gewerbe 2030 (SRK)  sowie den  Planungs- und Entwicklungsausschuss  ( Protokolle ) koordiniert. Dazu kommt jedoch auch die Steuerung durch die gemeinsame Flächennutzungsplanung.

Gemeinsame Flächennutzungsplanung und das SRK 2030

Der ZRK stellt als zentrales Steuerungselement einen gemeinsamen Flächennutzungsplan (FNP) auf. Die geplanten Siedlungserweiterungen im Außenbereich werden darin nicht dargestellt. Diese Vorhaben sollen also jeweils im Rahmen eines FNP-Änderungsverfahrens in der Verbandsversammlung verhandelt werden. Dadurch erhalten die Mitglieder des ZRK untereinander ein Mitspracherecht bei lokalen Entwicklungen. (vgl. Haller 2021)

1. Schritt: Beginn Lokales Planungsverfahren

Die Gemeinde bringt ein Vorhaben auf den Weg. Mit städtebaulichen Studien und Gutachten aus der Fachplanung werden die Voraussetzungen für die Bauleitplanung erfüllt. Gleichzeitig tritt die Gemeinde mit dem ZRK in Kontakt.

2. Schritt: Mindestkriterien des SRK überprüfen

ZRK und Gemeinde prüfen im Vorgespräch das Einhalten der im SRK definierten Mindestkriterien: Eine Mindestdichte von 35 Wohneinheiten pro Hektar, die Interkommunalität von Gewerbegebieten und, sofern erforderlich, die Erstellung eines Energiekonzeptes. Sind die Mindestkriterien nicht erfüllt, wird das FNP-Änderungsverfahren nicht eingeleitet. Wenn dem nichts entgegensteht folgt das „vertiefende Planungsgespräch“, das sich an den Leitzielen des SRK orientiert. (ZRK 2021: 37)

3. Schritt: Weiterführende Planungsgespräche mit ZRK

„Das Ziel des Planungsgespräches besteht darin, die Gemeinden bei Entscheidungen im Kontext des Planungsvorhabens zu begleiten und gemeinsam verschiedene Möglichkeiten, Varianten, Optionen der Planung durchzuspielen“ (ZRK 2021: 38). Außerdem gilt: Das FNP-Änderungsverfahren wird erst dann vollzogen, wenn die im SRK formulierten weiterführenden Kriterien (siehe Abbildung unten) mehrheitlich erfüllt sind. Dass daraus ein „Möglichkeitsraum einer künftigen Entwicklung“ (ebd.) diskursiv herausgearbeitet werden soll, zeigt aber auch den politischen Charakter des Gesprächs. Wie die Bewertung der Vorhaben operationalisiert wird, ist unklar, da der entsprechende Kriterienkatalog nicht öffentlich einsehbar ist.

4. Durchführung des FNP-Änderungsverfahrens

Mit der Änderung des Flächennutzungsplanes wird die Fläche formal als Siedlungsfläche ausgewiesen. Dies geschieht durch die Anpassung des FNP an das unter Umständen bereits laufende Bebauungsplan-Verfahren, oder im Sinne der Vorbereitenden Bauleitplanung, aus welcher der Bebauungsplan entwickelt wird. Im Anschluss kann das Vorhaben umgesetzt werden.

Leitziele und Handlungsfelder, Darstellung nach SRK 2030

Das SRK bezieht in seiner Zielstellung und in seinen Handlungsfeldern die mittelbaren und unmittelbaren Strategien zur Verhinderung fortschreitender Siedlungserweiterung mit ein: Innen- vor Außenentwicklung, Nachverdichtung, Mindestdichtewerte, Nach- und Umnutzung, Kurze Wege, etc. Es werden verschiedene Ansätze zum Flächensparen prominent als Überschriften erster und zweiter Ordnung präsentiert (siehe Abbildung links). Allerdings werden die Kontingentierung von Flächenausweisung und konkrete Strategien zur Mobilisierung von Innenbereichsflächen vermieden.

Im SRK finden sich sowohl die Leitbilder der dichten europäischen Stadt, als auch der polyzentralen Stadt und Region der kurzen Wege sowie der dreifachen Innenentwicklung wieder.

Als zentraler ökologischer und wirtschaftlicher Faktor steht die Bodenfrage inmitten der Diskussion. Auch wenn das SRK potenzielle Entwicklungsflächen für den prognostizierten Wohnraumbedarf festhält, findet eine verbindliche Koordination und engagierte Begrenzung der Flächeninanspruchnahme und -nutzung bisher nicht statt. Aufgrund der Planungshoheit der Gemeinden im ZRK obliegt die Erstellung flächensparender Konzepte zur Befriedigung des Wohnraum- und Infrastrukturbedarfs in der Region vor allem den Planenden vor Ort.

Der Fokus auf Elgershausen ermöglicht die Abwägung verschiedener Maßnahmen in Form eines gedachten Pilotprojektes zur Minimierung des Verbrauchs an Fläche im Außenbereich – bei gleichzeitiger Maximierung der Nutzung. Im Süd-Westen der Ortschaft sollen in den kommenden Jahren 19 Hektar Boden für neue Siedlungsflächen in Anspruch genommen werden. Die Entwicklung im Außenbereich ermöglicht eine konfliktarme Bereitstellung von Baugrund, für ortsansässige, aber vor allem zuziehende Haushalte aus Kassel und der Region. Elgershausen stemmt mit der Siedlungserweiterung einen Teil des Wachstums der gesamten Region. Dabei geht jedoch auch Ackerland verloren, während zugleich ungehobene Potenziale im Ortsinneren liegen. Diese gilt es zu heben – und allgemeine, handlungsorientierte Strategien für die Entwicklung des gesamten ZRK herauszuarbeiten, die die bestehenden Ziele, Konzepte und Instrumente flankieren.

Schematische Darstellung einer Einfamilienhaus-Bebauung mit 35 Wohneinheiten pro Hektar am Ortsrand Elgershausen


Leitziele

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Flächennutzungskonflikte durch ein anhaltendes Wachstum von Ortschaften und den bereits existierenden Lösungsansätzen ergeben sich folgende Leitziele für den Betrachtungsraum Elgershausen:

Außenentwicklung durch Nachverdichtung vermindern

Durch eine Bestandsanalyse sollen Potenzialflächen für eine mögliche Nachverdichtung im Ortsinneren identifiziert und qualifiziert werden, sodass ein Wachstum der Ortschaft in den Außenbereich vermindert oder sogar verhindert werden kann.

Multifunktionale Flächennutzung

Eine effiziente, multifunktionale Nutzung von Flächen im Innen- wie Außenbereich kann bei der Einsparung von verbrauchter Fläche helfen. Die Multifunktionalität kann dabei auch über zeitliche Intervalle erfolgen. So kann ein Parkplatz zwischenzeitlich als Wochenmarkt oder Kirmesstandort fungieren – und Straßen multimodal genutzt, statt nur von Autos befahren zu werden.

Mobilität sicherstellen und Verbindungen verbessern

Die Multimodalität, also die Menge an Verkehrsmitteln, die der Bevölkerung für ihre Mobilität zur Verfügung steht, ist ein wichtiger Faktor bei der Flächeneinsparung von Verkehrsflächen. Im Zuge der Nachhaltigkeit sollen aus diesem Grund nicht nur die Wegeverbindungen zwischen einzelnen Orten verbessert, sondern auch "multimodalisiert" werden – sodass sich ein Mix an möglichen Verkehrsmitteln ergibt.

Klimafunktionen erhalten

Das Wachstum von Ortschaften und die intensivere Nutzung von Flächen im Innenbereich sind ein Risiko für das lokale Mikroklima und Grün- bzw. Erholungsräume. Durch gezielte Flächenanalyse sollen diese Gefahren eingegrenzt werden, sodass auch das Ziel der Dreifachen Innenentwicklung im Bezug auf die Grünraumaufwertung und Grünraumerhaltung Anwendung findet.

SRK 2030 ergänzen

Das Siedlungsrahmenkonzept des ZRK gibt bereits wegweisend die Richtung einer nachhaltigen Regionalentwicklung vor. Im Rahmen des Projektes soll es um etwaige maßnahmenbezogene Elemente ergänzt werden. Diese bauen direkt auf den bereits formulierten Zielen des SRK 2030 auf und können als Erweiterung dessen verstanden werden.


Analyse

Die Analyse ist die Grundlage für die Entwicklung der Szenariopläne und der darin enthaltenen Maßnahmen. In dieser Phase wurde der Ort Elgershausen – sowohl im Kontext zu den umliegenden Gemeinden, als auch im kleinräumlichen Maßstab – mithilfe der GIS-Analyse, Gemeinde- und Landesstatistik, anhand von Luftbildern und einer Bestandaufnahme vor Ort untersucht. Neben der geographischen und baulichen Analyse des Raumes wurden die Points of Interest (POI) der Bewohner:innen ermittelt und das daraus resultierende Mobilitätsverhalten untersucht.

Verortung Elgershausen

Räumliche Verortung Elgershausen

Elgershausen ist ein Ortsteil der Gemeinde Schauenburg und liegt westlich von Baunatal im südlichen ZRK-Gebiet. Insgesamt wohnen in Elgershausen circa 4.400 Menschen. Mit 32 % ist der Anteil der Bewohner:innen zwischen 45-64 Jahren am höchsten. Es ist davon auszugehen, dass das Durchschnittsalter im Ort bis 2035 deutlich steigt. Allerdings wird auch der Zuzug von jungen Familien prognostiziert, zusammen mit einem damit einhergehenden Anstieg der Geburtenrate.


Bedarfsanalyse

Um alltägliche Abläufe, Nutzungsstrukturen und Bedürfnisse der Bevölkerung abzuleiten, wurde die Mobilität der Einwohner:innen analysiert. Da diese unter anderem von der Lebensphase abhängig ist, konnten die Bewohner:innen in Altersgruppen unterteilt werden. Diesen wurde ein jeweils idealtypisches Verkehrsverhalten auf Grundlage des Ergebnisberichts der Mobilität in Deutschland (MID) zugeordnet. Bei der Verkehrsmittelwahl wird zwischen Fuß, Rad, ÖV, MIV-Mitfahrer:innen und MIV unterschieden. Vor allem die Altersgruppen der 0-9- und 10-19-Jährigen, die zum größten Teil kein Auto fahren können, gelten als MIV-Mitfahrer:innen – sie sind abhängig vom ÖPNV oder der Elterngeneration mit 30-39 und 40-49 Jahren. Der untenstehenden Grafik ist zu entnehmen, dass der MIV-Anteil bei den mittleren Altersgruppen die Hälfte der Verkehrsmittelwahl ausmacht und sich, je älter die Menschen werden, reduziert und vom fußläufigen Verkehr abgelöst wird.

Bedarfs- und Mobilitätsanalyse

Im nächsten Schritt wurden die altersgruppenspezifischen POIs festgelegt – auf der obenstehenden Graphik werden diese mit Linien den jeweiligen Altersgruppen zugeordnet. Beispielsweise werden weiterführende Schulen von der Altersgruppe 10-19 Jahre aber auch von den Altersgruppen 30-39 und 40-49 Jahren angesteuert. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass einige Schüler:innen von ihren Eltern mit dem Auto zur Schulen gebracht werden. Die Grundversorgung wird von allen Altersgruppen, bis auf die beiden jüngsten Gruppen, besucht. Die Erkenntnisse der Bedarfs- und Mobilitätsanalyse konnten schließlich mit den Bevölkerungsprognosen der Gemeinde Schauenburg verschnitten werden. Aufgrund des steigenden Durchschnittsalters wird der MIV-Anteil in den kommenden Jahren gleichbleibend sein und erst zu einem späteren Zeitpunkt eventuell leicht abnehmen. Allerdings resultiert in Zukunft durch den Zuzug junger Familien ein Anstieg des MIV-Aufkommens. Ein vermehrtes Aufkommen an Fuß- und Radverkehr ist zusätzlich zu erwarten, was auf das Mobilitätsverhalten von Kindern und Jugendlichen zurückzuführen ist.


Räumliche Analyse


Bauliche Analyse

Der Ortsteil Elgershausen der Gemeinde Schauenburg bietet beachtliche Potenziale zur Nachverdichtung und auch verschiedene städtebauliche Situationen, an denen das Engagement der Bevölkerung kristallisierbar sein könnte. Zwischen den Häuserreihen finden sich zentrumsnah große Brach- und Freiflächen, daneben alte Scheunen und Schuppen. Bei der Betrachtung der baulichen Struktur in Elgershausen fällt vor allem die in Richtung Zentrum zunehmende Geschosshöhe auf. Insbesondere entlang der Hauptverkehrsachse (Korbacher Straße) lässt sich durch die Karte aufgrund der dunkel gefärbten Gebäude erkennen, dass die Bebauung dort am höchsten ist. Zudem ist dort die Dichte größer als in den umliegenden Siedlungsgebieten, was auf die lange Historie des Ortes zurückzuführen ist. Während das Zentrum eher alte und dichte dörfliche Strukturen aufweist, verändert sich die Bebauung nach außen hin zu typischen Einfamilienhausgebieten. In Kombination mit der Betrachtung bestehender Bebauungspläne des Ortes und der Jahre ihres Inkrafttretens lässt sich erkennen, dass Elgershausen in den 1960er und 1970er in Richtung Norden bis hin zur Autobahn 44 erweitert wurde. Seit 20 Jahren entwickelt sich Elgershausen nun in Richtung Süden, wo bereits ein neues Wohn- und auch Gewerbegebiet ausgewiesen und bebaut wurde. Im Süden befindet sich ebenfalls der Lupenraum, der neu für eine umfassende Bebauung im Außenbereich (rund 19 Hektar) ausgewiesen wurde.


Ermittlung von Potenzialen zur Innenentwicklung

Wie aus dem Vorgehen und dem Ziel des Projekts, den Flächenverbrauch zu minimieren und eine gleichzeitige Maximierung der Fläche vorzunehmen, zu entnehmen ist, werden dafür Potenzialflächen und Potenzialräume benötigt, die aktuell noch keine anderweitige bauliche Nutzung aufweisen. Durch eine Ortsbegehung und mithilfe von Luftbildern konnten potenzielle Gebäude und Freiflächen kartiert und mit einem Bewertungsschema qualifiziert werden. Dabei wurden auch Scheunengebäude in den Blick genommen: Wenn keine offensichtliche Nutzung festgestellt werden konnte und das Gebäude für bauliche Maßnahmen geeignet schien, wurde es in das Kataster mit aufgenommen. Insgesamt konnten circa 2,34 Hektar an potenzieller Nutzfläche in Form von Scheunengebäuden ermittelt werden.

Bewertungsschema Potenzialräume

Die Qualifizierung der Potenzialflächen verlief ähnlich, nur mit dem Unterschied, dass hierbei zusätzlich der Aspekt der Erschließbarkeit mit einfloss. Die identifizierten, leicht erschließbaren Innenbereichsflächen, die keine Gartennutzung aufweisen, betragen in Summe 4,7 Hektar. Das sind knapp 50 Prozent aller im Ort kartierten Flächenpotenziale. Der Rest der Flächen ist als schwer erschließbar beurteilt worden (bspw. aufgrund notwendiger Klärung von Wegerechten) und weist zum Teil auch Gartennutzung auf. Alle Flächen ergeben zusammen ein Potenzial von 9 Hektar.

Bewertungsschema Potenzialflächen

Insgesamt können mit den gefundenen Potenzialen von 7,04 bis 11,34 Hektar, unter exakter Einhaltung der im SRK 2030 festgehaltenen Mindestdichte von 35 Wohneinheiten pro Hektar, potenziell 246 bis 397 neue Wohnungen im Innenbereich entstehen. Damit könnte die Fläche von 11,9 Hektar (entspricht 417 Wohneinheiten), die für die Wohnbebauung im Lupenraum ausgewiesen werden soll – bei leichter Erhöhung der Dichte – rechnerisch gänzlich durch Nachverdichtung ersetzt werden.

Ermittelte Potenzialräume und -flächen

Bestandsaufnahme: Beispiele der Nachverdichtungs-, Verkehrs- und Grünräume in Elgershausen, eigene Aufnahmen.


Analyse-Ergebnisse

Der Bedarfsanalyse ist zu entnehmen, dass Elgershausen in den Punkten Nahversorgung und Betreuungseinrichtungen für Kinder über ein breit aufgestelltes Angebot verfügt. Ferner bieten die bereits vor Ort vorhandenen ÖPNV-Verbindungen ein ausreichendes Mobilitätsangebot nach Kassel und Baunatal. Vor dem Hintergrund der zukünftigen Etablierung einer ergänzenden Schnellbuslinie in das Kassler Zentrum kann von einem guten ÖPNV-Angebot für die Bewohner:innen gesprochen werden. Lediglich die Erreichbarkeiten der Haltestellen innerhalb eines attraktiven Zeitrahmens gilt es zu verbessern, um den Wechsel vom MIV zum ÖV einfacher zu gestalten. Angesichts des Anstiegs der älteren Bevölkerungsgruppen, dem Zuzug junger Familien und im Hinblick auf die gesetzten Prämissen zur Nachhaltigkeit und dem damit einhergehenden Wandel des Mobilitätverhaltens der Bevölkerung ist es an der Zeit, Elgershausen im Allgemeinen mit der Förderung des Fuß- und Radverkehrs auf zukünftige Entwicklungen vorzubereiten und den MIV mit ausgleichender Infrastruktur obsolet zu machen.

Ein weiteres Defizit in Elgershausen sind die wenigen öffentlich zugänglichen, grünräumlichen Begegnungsorte. Daher gilt es, potenzielle Freiräume im Ortskern zu mobilisieren und somit neue Naherholungsflächen zu schaffen. Die kartierten Brach- und Freiflächen zeigen eindeutig das Nachverdichtungspotenzial in Elgershausen auf und bieten somit die Möglichkeit, vorerst eine weitere Außenentwicklung abzuwenden und durch eine effiziente Innenentwicklung Fläche zu sparen.


Szenarien

Aktuelle Trends & Entwicklungen

Im März 2021 wurde von der Verbandsversammlung die Fortschreibung des SRK als "Siedlungsrahmenkonzept Wohnen und Gewerbe 2030" (ZRK 2021) beschlossen, welches einen Planungshorizont bis zum Jahr 2030 verfolgt. Doch was genau bedeutet eine flächensparende und nachhaltige Siedlungsentwicklung konkret für eine einzelne Kommune? Was sind die wichtigsten Stellschrauben für eine gelungene, zukünftige Stadtentwicklung? Wie kann der Weg ins Jahr 2030 aktiv begonnen werden? Und welche aktuellen Trends und Entwicklungen gilt es für eine zukünftige Planung mitzudenken? Die nachfolgend aufgeführten Einflussfaktoren (siehe Abbildung unten) sind umfassende Entwicklungen, die nicht nur Elgershausen, sondern zukünftig alle Städte maßgeblich verändern. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, gehören jedoch zu den Schlüsselfaktoren, die es unbedingt bei der weiteren Stadtentwicklung zu berücksichtigen gilt.

Aktuelle Entwicklungstrends


Szenario-Technik

Mit der Szenario-Technik können mögliche und wahrscheinliche Veränderungen in der Zukunft veranschaulicht werden (vgl. Baden-Württemberg 2022). Durch umfassende Visualisierungen eignen sich Szenarien besonders als Kommunikationsmethode zwischen Planer:innen, Bewohner:innen und Entscheidungsträger:innen und sind somit eine Methode, um  Expert:innen und Stakeholder:innen zu beteiligen  (vgl. Kosow, León 2014: 217 ff.). Die Szenarien dienen dabei als Bilder möglicher Zukünfte sowie als Orientierungshilfe. Die folgenden Szenarien stellen insbesondere das Thema Innenentwicklung in den Fokus und zeigen die quantitativen Nachverdichtungspotenziale von Elgershausen unter Berücksichtigung der Dreifachen Innenentwicklung.


Zukunftsszenarien für Elgershausen

Zwei zukünftige Entwicklungsszenarien für Elgershausen


50 % Szenario

Im 50 % Szenario wird das von der Gemeinde geplante Neubaugebiet, der Lupenraum, nicht voll in Anspruch genommen, sondern 4,7 ha für Gewerbe, 2,5 ha für das Mischgebiet und 4,9 ha für Wohnbebauung. Bestehende Gebäude, wie Scheunen und leerstehende Fachwerkhäuser, lassen sich insgesamt zu einer Fläche von etwa 2,34 ha summieren, was einem Flächenpotenzial von etwa 80 Wohneinheiten entspricht. Zwar sollte versucht werden, möglichst alle identifizierten Flächenpotenziale auszuschöpfen und einer Neuausweisung vorzuziehen, jedoch unterscheiden sich die Potenziale der Scheunen und Fachwerkhäuser voneinander, sodass zwischen „leicht umzunutzenden“ Gebäuden und „schwierigen umnutzenden“ Häusern unterschieden wird.

Vor dem Hintergrund, dass der Wohnbedarf allerdings nicht mit den Bestandsgebäuden gedeckt werden kann, muss Fläche für Wohnbebauung neu ausgewiesen werden. Im Innenbereich eignen sich dafür besonders aktuell ungenutzte Brachflächen im nördlichen Bereich von Elgershausen sowie im Süden und in den Randlagen. Um Flächenpotenziale, die aneinander liegen schneller zu identifizieren, sind sie im Szenarienplan als Cluster zusammengeführt. Unterschieden wird in drei Cluster: „Cluster-Nordteil“, „Cluster-Südteil“ und „Cluster-Randstadt“. Ob eine Entwicklung jedoch im Cluster erfolgen kann, ist überwiegend von der Verkaufsbereitschaft der Eigentümer:innen abhängig.

Gemäß der dreifachen Innenentwicklung soll jedoch nicht nur baulich nachverdichtet, sondern auch grüne Infrastruktur gesichert und erweitert sowie neue Mobilitätsangebote geschaffen werden. Als eines der größten Freiraumpotenziale wurde die Baunastraße identifiziert, die als eine Grünachse von Ost nach West quer durch die Stadt verläuft und als zukünftige Fahrradstraße eine große Steigerung der Naherholungsqualität erfährt. Hier soll die Aufenthaltsqualität gefördert werden und ein breites Angebot an Bänken und anderem Stadtmobiliar zum Verweilen einladen. Daneben werden im Stadtraum Treffpunkte geschaffen, die mit Bike-Sharing-Stationen ausgestattet sind und bspw. als Treffpunkt für Schüler:innen dienen können, um gemeinsam zur Schule zu gehen. An großen Kreuzungen sollen zudem Mitfahrbanken aufgestellt werden, die für mobilitätseingeschränkte Personen gedacht sind, um flexibler in die Innenstadt zu gelangen aber auch zum sonstigen Verweilen dienen.

Um Elgershausen attraktiver für Fußgänger:innen und Fahrradfahrer:innen zu machen, sollen neue Wege zwischen den Wohngebieten geschaffen werden, die beispielweise in Form von Sandwegen gestaltet werden können. Gleichzeitig soll der Durchgangsverkehr aus umliegenden Orten durch das Durchsetzen der örtlichen Geschwindigekeitsbeschränkung (30 km/h) auf die L3215 verlagert werden. Trotz alternativer Mobilitätsangebote wird im 50 % Szenario davon ausgegangen, dass weiterhin eine Vielzahl von Parkplätzen im Innenstadtbereich benötigt wird. Bei den bestehenden Parkplätzen gilt es, die Kapazität zu prüfen und ggf. die Parkrichtung zu verändern, um Fläche zu sparen. Dabei ist zudem empfehlenswert, die Flächen zu entsiegeln und geeignetes Material zu wählen, das Versickerung zulässt. Auch hat sich in Gesprächen vor Ort herauskristallisiert, dass sich die Bewohner:innen einen Quartiersplatz wünschen. Zentral gelegene Parkplätze sind temporär auch für solche weitere Nutzungen, wie Märkte und Sonstiges verfügbar.

Insgesamt werden im 50 % Szenario zwar innerstädtische Verdichtungspotenziale genutzt, aber nicht vollständig ausgeschöpft, da auch unklar ist, wie viele private Brachflächen entwickelt werden können. Im Hinblick auf den Flächenverbrauch wird eine dichte Bebauung bevorzugt, jedoch bleiben Einfamilienhäuser in Teilen von Elgershausen möglich.


100 % Szenario

Im Gegensatz zum eher moderaten 50 % Szenario, veranschaulicht das 100 % Szenario die Inanspruchnahme aller Innenentwicklungspotenziale mit dichten Wohnformen, wie Mehrfamilien- und Reihenhäusern. Viele Maßnahmen gemäß der dreifachen Innenentwicklung werden genauso umgesetzt, wie im anderen Szenario beschrieben. Die Hauptunterschiede sind im 100 % Szenario schwarz gekennzeichnet (siehe Szenarienplan oben).

Statt 4,7 Hektar (etwa 165 Wohneinheiten) im 50 % Szenario werden etwa 9 Hektar (etwa 315 Wohneinheiten) nachverdichtet (zzgl. 2,34 ha Umnutzungen). Bei einer dichteren Bebauung ist der MIV weniger stark im Fokus. Stattdessen ist der Bahnhof im Westen wieder im Betrieb und viele Parkmöglichkeiten befinden sich in einem zentral gelegenen Parkhaus/ einer Tiefgarage, wobei Anwohner:innen über einen Bewohner:innen-Parkausweis verfügen und vergünstigt parken können. Da sich Mischnutzungen vor allem in einem kompakten Quartier eignen, werden besonders die Erdgeschosszonen für Gewerbe, Läden und Büros genutzt. Statt reiner Wohnbebauung, wie im 50 % Szenario, werden auf den Potenzialflächen nicht nur Wohnen, sondern auch sonstige Nutzungen ausgewiesen, die sich mit Wohnen vereinbaren lassen. Dadurch wird Elgershausen belebter und die Notwendigkeit eines eigenen PKWs geringer. Einzig die Gewerbefläche befindet sich weiterhin im Außenbereich, sodass Großbetriebe mit viel Lieferverkehr ihre Logistik durchführen können ohne die Bewohner:innen Elgershausens zu stören.

Bewertung der Szenarien

Bewertung der Szenarien

Die Szenarien dienen dazu, Möglichkeiten aufzuzeigen, in welche Richtungen sich Elgershausen – unter Berücksichtigung der Vorgaben vom ZRK – entwicklen kann. Dabei steht insbesondere das Thema Innenentwicklung im Fokus und die gesellschaftliche Nachfrage nach zusätzlichen Wohn- und Gewerbeflächen wird als gegeben angenommen. Mithilfe der Dreifachen Innenentwicklung wurden Möglichkeiten aufgezeigt, diese Nachfrage möglichst nachhaltig zu lösen. Ergänzend dazu ist es zukünftig durchaus denkbar, auch unter Einbindung verschiedener Stakeholder:innen, weitere Szenarien zu entwickeln. Denn gemäß  Kosow und León  (2014) ist:

"[...] die Szenariotechnik aber auch eine Methode, [...] die dazu [dient] vielfältige Problemsichten nicht nur explizit zu machen sondern auch anzunähern, sowie die Kommunikation und Zusammenarbeit verschiedener Akteure bis hin zur Entwicklung gemeinsam getragener Handlungsoptionen zu unterstützen. Diese Beteiligung sichert zugleich die Legitimität der Szenarien und die für ihre Nutzung wichtige sog. Ownership."


Umsetzung

Maßnahmen

Die konkreten Maßnahmenvorschläge sind in Steckbriefen zusammengefasst und umfassen die Aspekte der dreifachen Innenentwicklung mit dem Fokus auf der effizienteren Flächenausnutzung im Inneren der Ortschaft Elgershausen. Jeweils passende Referenzen zu Beispielprojekten und Strategien aus anderen Regionen und Gemeinden geben einen Einblick in die mögliche Umsetzung vor Ort.

Steuerungsansatz

Um die Innenentwicklung strategisch zu unterstützen, bietet sich die Koordination der Umsetzung mithilfe eines Phasenplans an: Die Maßnahmen werden untereinander koordiniert, die Instrumente gebündelt und somit eine größere Wirkung in der Gemeinde sowie Akzeptanz in der Bevölkerung erzeugt.

Um Menschen dazu zu bewegen, dass sie die Potenziale der Grundstücke erkennen und nutzen, können Informations- und Beratungsangebote geschaffen werden. Mit personalisierten Anschreiben und eine:r lokale:n Ansprechpartner:in kann die Gemeinde hier unterstützen. Statt aufwendigem Klinkenputzen kann eine örtliche Entwicklungsmaßnahme als Leuchtturm zur Aktivierung bürgerschaftlichen Interesses dienen. Eine Entwicklung der zentralen Verkehrswege und der Ausbau der Freiraumqualitäten lenkt die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf die Ortsteilentwicklung. Sie bietet den Rahmen für Workshops und Informationsangebote für private Projekte. Dennoch werden die Eigentümer:innen großer Potenzialflächen gesondert angesprochen werden müssen. Das liegt in Elgershausen nicht zuletzt daran, dass die alten Grundstückszuschnitte die bestehenden Freiflächen eigentumsrechtlich fragmentieren. Es kann zwar (durch die Planung koordiniert) individuell entwickelt werden, eine Neuordnung der Eigentumsverhältnisse verspricht jedoch vielerorts einen effizienteren Prozess und kohärente städtebauliche Ergebnisse.

Die ebenso wichtige kleinteilige Entwicklung vor Ort geschieht durch die Vielzahl der Kleinanbieter:innen und Privateigentümer:innen. Die Gemeinde kann hier mit Informationsmaterial zu Fördermöglichkeiten und der Entwicklung einer städtebaulichen Vision unterstützen. Zeigen sich die aktuellen Eigentümer:innen koopererativ, verspricht dieses Vorgehen im Vergleich zu den Aussichten auf das Neubaugebiet im Süd-Westen sowohl zeitnahe, als auch ökologisch und sozial verträgliche Ergebnisse.

Phasenplan

Räumlicher Phasenplan zur Förderung der Innenentwicklung und Flächenaquise

Instrumenteller Phasenplan zur Förderung der Innenentwicklung und Flächenaquise


Instrumente vor Ort

Es fehlt an finanziellen und koordinativen Mitteln zur Aktivierung von Brachflächen. Instrumente zur Mobilisierung von Flächen im Innenbereich müssen also einen geringen Aufwand für die lokale Planungsinstanz bei vorteilhaftem Ergebnis aufweisen. Neben der konzeptionellen Unterstützung durch den ZRK können sowohl die Bevölkerung als auch Zuziehende und andere an der Entwicklung der Ortsteile interessierte Akteure in den Prozess mit einbezogen werden.

Instrumente zur lokalen Förderung der Innenentwicklung

Um die Innenentwicklung voranzutreiben und die Nachverdichtungspotenziale zu heben, bieten sich vor allem informelle Strategien an. Insbesondere für kleine Gemeinden sind die Anwendung von Bau- und Sanierungsgeboten oder eine langzeitliche Flächenvorratspolitik nur schwer zu stemmen. Andere Instrumente, wie eine gezielte Innenentwicklungsmaßnahme wurden bis heute nicht in das BauGB aufgenommen. Eine erfolgreiche Flächenmobilisierung im Innenbereich zeichnet sich deswegen häufig dadurch aus, dass das Engagement der Bevölkerung eingebunden werden konnte. Ein zentraler Baustein ist hierbei das Hervorheben und Verknüpfen von individuellen Vorteilen mit denen des Gemeinwohls beziehungsweise Nachhaltigkeitsaspekten.

Innenentwicklung gestalten – Video der Hochschule Luzern

  • Zu Beginn einer umfassenden Innenentwicklungsstrategie steht eine kritische Bestandaufnahme vor Ort. Ziele und Handlungsfelder sowie erste Pilotprojekte sollten möglichst unter Beteiligung der Stadtgesellschaft herausgearbeitet und auf den Weg gebracht werden (Vennemann 2019: 18ff.). Gerade wenn wie bei der konzeptionellen Auseinandersetzung mit dem Lupenräumen in Elgershausen die räumliche Perspektive im Vordergrund steht, stellt ein perspektivischer Rahmenplan (Szenarien) einen ersten Schritt dar.
  • Die vor Ort einbezogene Zivilgesellschaft sollte nicht nur die Bewohner:innen, sondern auch Unternehmen und Akteure von Außerhalb mit einbeziehen. Diese können mit Spezialwissen, eigenen Bedarfen und potenzieller Mitwirkung zur Entwicklung des Siedlungsraumes beitragen und eigene Vorteile realisieren. (vgl. Vennemann 2019: 24ff.)
  • Dazu gehört auch: Kleinanbieter:innen und Hauseigentümer:innen, zum Handeln anregen. Gerade diese Gruppen profitieren aufgrund ihres lokalen Interesses an der Entwicklung des Ortes. So kann die Sanierung der Straße vor dem Haus eine Wertsteigerung der eigenen Immobilie bedeuten, in deren Zuge das Gebäude selbst auch eine Schönheitskur erfährt. Solche Synergieeffekte zu kommunizieren und ihre Realisierung zu befördern ist Aufgabe der lokalen Planung. Die Einbindung in größere Entwicklungen und ein langfristiges Konzept stärken zudem die Verhandlungsbasis und ermöglichen ein Fortkommen von ressourcenaufwändigem Klinkenputzen (ebd. 36ff.).
  • Es genügt nicht, nur auf Orts- und Ortsteilebene zu agieren: Auf der einen Seite liefern Schlüsselimmobilien, beispielsweise Pilotprojekte im Leerstand, erste Ankerpunkte und den Beweis, dass sich eine Sanierung, Verdichtung und Qualifizierung der Siedlungsstruktur lohnt; auf der anderen Seite jedoch ist ein vernetzer Gemeindeverbund wie der ZRK die Voraussetzung dafür, Nutzungen effizient in den Ortschaften zu platzieren und zu erhalten. Fördermittelakquise und Flächenmanagement sind selten durch eine Gemeinde allein zu bewerkstelligen, sodass diese von engagierten Nachbarorten profitiert. Die Kooperation ermöglicht, gemeinsame Bedarfe kollektiv zu erfüllen und die jeweiligen Interessen im Verbandsgebiet auszugleichen. (Vennemann 2019: 48ff., 66ff.)
  • Darüber hinaus sind noch weitere Kooperationen möglich! Gemeinnützige Wohnungsbauträger bieten eine soziale Ausrichtung und Unterstützung bei qualitätsvoller Entwicklung von neuen Quartieren. Anders als eine kleinteilige Vergabe an einzelne Haushalte ermöglicht eine gebündelte Entwicklung den Abschluss städtebaulicher Verträge und die Implementierung sozialer Einrichtungen, was einzelnen Privateigentümer:innen kaum zuzumuten wäre. Gleiches gilt für die realisierbare Siedlungsdichte: Auch Reihen- und Mehrfamilienhäuser lassen sich effizienter durch eine als durch viele Hände entwickeln. Es ist für die Gemeinde und den ZRK von sozialem, ökonomischem und ökologischem Interesse, mögliche Kooperationen mit Wohnungsbauträgern und vielleicht auch ungewöhnlichen Allianzen mit Baugruppen auszuloten.

Neben informeller Herangehensweisen bieten formelle städtebauliche Instrumente die Werkzeuge zur planungsrechtlichen Fixierung und städtebaulichen Umsetzung der Innenentwicklung.

  • Entsprechend §45 BauGB können „zur Erschließung oder Neugestaltung von Gebieten (...) bebaute und unbebaute Grundstücke durch Umlegung in der Weise neu geordnet werden, dass nach Lage, Form und Größe für die bauliche oder sonstige Nutzung zweckmäßig gestaltete Grundstücke entstehen.“ Durch das Umlageverfahren können Freiräume, die Potenziale zur Innenentwicklung bieten, rechtlich neu geordnet werden. Die Umlegung kann durchgeführt werden, wenn das das Gebiet nach §34 bebaut werden darf oder ein entsprechender Bebauungsplan vorliegt oder zeitnah in Kraft tritt. In Elgershausen finden sich viele Bebaute Grundstücke, die jedoch erhebliches Nachverdichtungspotenzial bieten. Die Umlegung ermöglicht die Erschließung und regelt zugleich die Verhältnisse, sodass die neu geschaffenen Grundstücke von den Eigentümer:innen beispielsweise veräußert werden können.
  • Mit der Grundsteuerreform auf Bundesebene und der Adaption in Hessen zum Jahr 2025 wird die Grundsteuer C eingeführt. Diese ermöglicht es den Kommunen, gesonderte Hebesätze für baureife Grundstücke zu beschließen. Das ist insbesondere für die Innenentwicklung interessant, da vorgehaltener Baugrund tendenziell schneller bebaut wird. Die Grundsteuer C differenziert jedoch nicht nach Lage, sodass der Druck auf Grundstücken mit im Außenbereich neu geschaffenem Baurecht lastet. Im Fall von Elgershausen bedeutet das, dass je nach Stand der Entwicklung des Lupenraumes Innen- wie Außenentwicklung gleichermaßen gefördert werden. Da ein Verzögern der B-Planung bis deutlich nach 2025 unwahrscheinlich ist, wäre eine vorgreifende Reduzierung der Bauflächen um die im Innenbereich liegenden Potenziale risikoreich aber sinnvoll. 

Instrumente nachhaltiger Siedlungsentwicklung für den ZRK

Grundsätzlich ist zu beachten, dass die Operationalisierung der Flächensparziele Aufgabe des Bundes und der Länder ist, denen breitenwirksame Steuerungsinstrumente wie die Anpassung des Städtebaurechts oder die Einführung von Flächenkontingenten beziehungsweise eines Flächenzertifikatehandels offen stehen (vgl. difu 2018). Nichtsdestotrotz muss die Wahrung der Bodenfunktion und die nachhaltige Entwicklung der Siedlungsräume als gemeinschaftliche Aufgabe gesehen werden.

Die von der Verbandsversammlung beschlossene, auf drei Jahre rückwirkend für Neuentwicklungen geltende Minimaldichte von 35 Wohneinheiten pro Hektar stellt einen koordinative Leistung des ZRK dar. Allerdings fehlt es diesem Beschluss an weiterführenden Kriterien wie beispielsweise einer verbindlichen Zusage von Bestrebungen beziehungsweise Kontingenten zur Innenentwicklung. Auf diese Weise bleibt außen vor, wo die vereinbarten dichten Quartiere realisiert werden. Eine Weiterentwicklung mit Blick auf den ubiquitären Faktor Boden scheint dementsprechend konsequent. Ein Wohnraumversorgungskonzept, Flächenentwicklungskonzept und -monitoring ermöglichen, die Bedarfe, Potenziale und Folgen für die eigene Kommune und den gesamten Verband zielgerecht abzuschätzen.

Maßnahmen zur Koordination der Flächeninanspruchnahme. Grün hinterlegte bereits vorhanden, rot mit Bezug auf Fläche und hellrot auf Wohnen vorgeschlagen.

Die Etablierung eines interkommunalen Flächenmonitorings bildet das Fundament einer nachhaltigen Flächenentwicklung. Dafür melden die Gemeinden innerörtliche Freiflächen und voraussichtliche Entwicklungsgebiete an die zentrale Planungsinstanz – den ZRK. Dieser übernimmt mithilfe der so gebildeten Datenbank eine koordinierende und kommunikative Rolle. Er informiert darüber, wo Flächen in welcher Größe und Qualität verfügbar sind und welche örtliche Stelle kontaktiert werden kann. Darüber hinaus ermöglicht ein Überblick über die vorhandenen Potenziale eine zielgenaue Entwicklung von Flächenkonzepten und gebündelten Maßnahmen auf (inter-)kommunaler Ebene. Das Flächenmonitoring ist also auch die Grundlage zur Verständigung über gemeinsame Projekte zwischen den Gemeinden, noch vor dem formellen Verfahren in der Verbandsversammlung.

Auch die kommunale Ebene profitiert von der Erfassung von Leerstand und Brachflächen: die Bedarfen der Bevölkerung können nun mithilfe der erfassten Flächenpotenziale gedeckt werden. Diese sind zugleich Grundlage für die Berechnung der langzeitlichen Folgekosten für die Gemeinde, da die Lage der Grundstücke für Erschließungs- und Instandhaltungskosten entscheidend ist.

Um die verbandsweiten und die lokalen Bedarfe zu erfassen und eine koordinierte Entwicklung in Gang zu bringen, fehlt es bisher an einem Wohnraumversorgungskonzept. Dem muss eine differenzierte Wohnraumbedarfsanalyse vorangehen (siehe unten): Welche Typologien und Preisklassen werden tatsächlich abgefragt? Wo im ZRK ist Bevölkerungswachstum vorrangig zu erwarten? Und wie lässt sich der Zuzugsdruck für alle Beteiligten vorteilhaft auf die Mitgliedsgemeinden umlenken? 

Die weite Verteilung potenzieller Entwicklungsgebiete laut SRK 2030 zeigt, dass eine dezentrale Entwicklung bereits im Gange ist. Es fehlt bisher jedoch an einer bedarfsorientierten und fairen Verteilung der Herausforderungen zur Wohnraumversorgung. Von einer solchen profitieren langfristig sowohl die Stadt Kassel als auch die Umlandgemeinden.

Allgemeine Instrumente. Grün hinterlegte bereit vorhanden bzw. angedacht, rote Kacheln nicht.

Vertiefung: Bedarfsorientierte Wohnraumentwicklung

Mit der Forderung nach 22.000 zusätzlichen Wohneinheiten bis 2030 (ZRK 2021: 12) wird vonseiten des ZRK postuliert, dass um Wohnungsneubau kein Herumkommen ist. Voraussetzung für eine bedarfsgerechte Entwicklung ist die Ermittlung der tatsächlichen Nachfrage. An einer solchen turnusmäßigen Analyse und Prognose fehlt es bisher jedoch: Es gibt für das Verbandsgebiet keine differenzierten Zahlen zum Wohnraumbedarf – eine entsprechende Übersicht findet sich aktuell nur für die Stadt Kassel (vgl. Deschermeier u. a. 2019; empirica ag 2020). Wenn das Umland von der Entwicklung profitieren und die aktuellen und kommenden Bedarfe zwischen den Gemeinden ausgeglichen (Wachstum abgeben) werden sollen, bedarf es zusätzlicher Analysen und Kooperation.

Aus bestehenden Erhebungen für die Stadt und den Landkreis können zumindest allgemeine Aussagen über die ungefähre Verteilung der Bedarfe hinsichtlich Quantität und Qualität des benötigten Wohnraumes treffen. Da insbesondere (zahlungsfähige) Familien und ältere Haushalte affin gegenüber Neubaugebieten in Randlage sind, sind diese Gruppen im Landkreis überproportional zu erwarten. Der für Kassel erwartete 20 %ige Anteil an Einfamilienhäusern am Neubaugeschehen wird dementsprechend nach oben zu korrigieren sein (vgl. Deschermeier 2019).

Obwohl Kassel zu den leistbaren Großstädten Deutschlands gezählt werden kann, weist der lokale Wohnungsmarkt signifikante Versorgungslücken auf. So fehlt es vor allem an Kleinst- und Familienwohnungen für die 55% der Kasseler Bevölkerung, die weniger verdienen als der bundesweite Median. Wer weniger verdient als 60% wird nur zu rund 40% mit einer angemessenen Wohnung versorgt und muss entsprechende Kompromisse eingehen. (vgl. Holm et al. 2018) 

Effizienz auch im Neubau: Schematische Übersicht zu verschiedenen Typologien anhand jeweils 35 Wohneinheiten auf 1 Hektar.

2017 befinden sich rund 2.382 der Haushalte mit Wohnungsberechtigungsschein auf Wohnungssuche. Dabei ist ein doppelt so schnell steigender Anteil der Transferleistungsbeziehenden zu vermerken, als der Vergleich mit dem Regierungsbezirk Kassel oder dem Land Hessen vermuten lässt, was auf einen die realen Einkommenverhältnisse hinter sich lassenden Wohnungsmarkt verweist (vgl. Deschermann 2019). Die Werte für den Landkreis Kassel sind deutlich weniger stabil, weisen jedoch auf eine ebenso erhöhte Nachfrage günstigen Wohnraumes hin (ebd.). Gemeinwohlorientierte (und potenziell gemeinnnützige) Wohnbauträger bieten hier verlässliche Partner:innen zu dessen Erfüllung. Deren Streben nach effizienter Flächennutzung wiederum korreliert mit dem Ziel des Flächensparens.

Für die Siedlungserweiterungen im ZRK wird vorgeschlagen, die beschlossene Mindestdichte von 35 Wohneinheiten pro Hektar mit qualitativen Attributen zu flankieren. Im Sinne einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung spielt hierbei spielt die Aktivierung von Wohnungs- und Gebäudeleerstand, also die Instandsetzung und der Ausbau des Bestandes eine wichtige Rolle, auch wenn die bestehenden Strategiebausteine zur Innenentwicklung bisher zugunsten einer schnellen Baulandentwicklung und individueller Wohnwünsche durch die bisherige planerische Praxis außer Kraft gesetzt werden. Denn der Glaubenssatz, der „Wunsch vieler Haushalte nach bestimmten Wohnformen [ließe] sich derzeit teilweise nur durch Neubau an den Siedlungsrändern erfüllen.“ (ZRK 2021: 24), scheint derzeit als Legitimation für die Mehrzahl aller Neuentwicklungen zu dienen (vgl. geplante Außenentwicklung bei Elgershausen). Doch auch im Neubau im Außenbereich muss – um sich einer nachhaltige Siedlungentwicklung anzunähern – eine effiziente Flächennutzung Vorrang haben.

Auch wenn das Bedienen einer sozio-ökonomisch bessergestellten Klientel in städtischen Randlagen, noch dazu in (fiskalisch) eigenständigen Gemeinden, nahe liegt, besteht ein klar ersichtlicher sozialer Auftrag für den ZRK. Um diesen und die Erwartungen der gesamten Bevölkerung erfüllen zu können, bietet sich die Entwicklung eines interkommunalen Wohnraumkonzeptes an, mit dessen Hilfe der Bedarf innerhalb des ZRK zwischen den Mitgliedern koordiniert und kompensiert werden kann.

Eine Stadtentwicklung, die nicht allein auf den Verkauf der einzelnen Parzelle setzt, sondern auch institutionelle Wohnungsbauakteure mit einbezieht, findet Interessent:innen, die auch die Mittel haben, ein attraktives Wohnumfeld zu schaffen. Ein Beispiel hierfür sind Wohnungsbaugenossenschaft, kommunale Unternehmen oder auch engagierte Baugruppen. Da bei einer effizienten Flächennutzung neben Nachverdichtung und Umnutzung auch auf der Grünen Wiese vor allem dicht gebaut werden sollte, bieten sich diese Akteure als Partner zur Unterstützung der Versorgungs- und Sorgeinfrastruktur an.

Perspektive: Nahversorgung

Das Zusammendenken von Grünraumentwicklung, Verkehrsinfrastruktur und Nahversorgung ist essenziell für eine nachhaltige Ortsentwicklung. Um letztere zu erhalten und zu fördern bietet sich ein interkommunales Nahversorgungskonzept an (BMUB 2014: 55). Zwar besteht für den ZRK bereits der  Kommunale Entwicklungsplan Zentren 2015 , dieser beschäftigt sich jedoch primär mit der Verteilung der Betriebstypen und weniger mit deren Bewirtschaftung und der tatsächlichen Lage im Ort. Abgelegene Gemeinden im ZRK und Ortschaften mit hohem Pendelanteil leiden unter der geringen Rentabilität lokaler Nahversorgungsinfrasturktur – in Bezug auf die lokale Situation ähneln sie ländlichen Räumen.

Angebote zum Einkaufen, Verweilen, Lernen und Feste feiern zentral bündeln bedeutet, die Erreichbarkeit im Ort und die Attraktivität am Platz zu steigern. Bequemlichkeit und Zeitersparnis sind wiederum wichtige Anreize, eher nahe des Wohnorts einkaufen zu gehen anstatt im weit entfernten Einkaufszentrum (Vennemann 2019: 62, BMUB 2014: 28). Es ist Aufgabe der Bauleitplanung, zusätzlicher Konkurrenz in den Randlagen durch entsprechende Regularien entgegenzuwirken (BMUB 2014: 56). 

Neben dem vielfach erprobten Ansatz, mehrere Funktionen auf kleinem Raum gemeinsam anzubieten und auf diese Weise Agglomerationsvorteile im kleinen Maßstab zu erzielen, besteht auch die Möglichkeit, temporäre und wiederkehrende Angebote wie Märkte und fahrende Bäckereien zu fördern. 

Gerade dann, wenn die Erträge vor Ort nicht ausreichen den Unterhalt der Geschäfte und anderer Angebote zu rechtfertigen, bieten sich verschiedene Fördermöglichkeiten an. Eine strategische Partnerschaft der Immobilieninhabenden und Nutzungsträger kann beispielsweise darauf hinauslaufen, dass der Mietzins in Abhängigkeit zum tatsächlichen Erträgen gezahlt wird. Auf diese Weise wird das Unternehmen nicht überlastet und die Immobilie vor Leerstand bewahrt (Vennemann 2019: 62). 

Wo weder Hauseigentümer:innen noch die Gemeinde finanziell zum Betrieb oder zur Qualifizierung der Räumlichkeiten beisteuern können, bietet sich die Gründung von Genossenschaften und Vereinen an, denen die Unterstützung und Unterhalt der Nahversorgung übertragen wird (ebd.). Noch dazu bieten gemeinwohlorientierte Träger im Schnitt mehr Gehalt, einen langfristig stabilen Umsatz und mehr Arbeitsplätze. Wirtschaftlich erfolgreicher als typische Kleinanbieter sind wiederum Franchises und Ableger großer Ketten (BMUB 2014: 30). 

Unabhängig von der tragenden Organisation ist eine Vernetzung der Nahversorgung im Ort und darüber hinaus sinnvoll, um bessere Konditionen und gegenseitige Unterstützung im Sortiment zu bewirken (ebd.: 32f.). Dasselbe gilt auch für den Warenbezug: Regionale Produkte und Direktvermarktung sind zusätzliche Pull-Faktoren, um Ortsansässige in die Läden vor Ort zu locken (ebd.: 35)

Fazit

Das Beispiel Elgershausen zeigt, dass eine Nachverdichtung in den Mitgliedsgemeinden des ZRK möglich ist. Im Verlauf des Projektes wurden dazu die örtlichen Potenziale zur Innenentwicklung herausgearbeitet sowie Maßnahmen und Strategien entwickelt, um diese zu aktivieren. Über den Beitrag zur Nachhaltigen Landschafts- und Siedlungsentwicklung hinaus wird anschaulich, dass Elgershausen durch eine Dreifache Innenentwicklung zusätzlich an Lebensqualität gewinnen kann. Dies gelingt durch attraktive Freiräume entlang der Baunastraße, alternative Mobilitätsangebote und sicheren Verkehr im Ortskern. Zukünftig können in Elgershausen auf diese Weise und mit festem politischen Willen 11,34 Hektar Fläche im Außenbereich gespart werden. Hier helfen ortsbezogene  Handlungsempfehlungen  und  Instrumente  zur Flächenentwicklung. Auch der  ZRK  kann Hilfestellung leisten: Durch Ergänzungen zum SRK, weitere interkommunale Kooperationen, Konzepte und Beratung der Gemeinden. Als ein zentrales Desiderat der Projektarbeit wird vorgeschlagen, die Mindestkriterien für Außenentwicklung um eine verpflichtende Erhebung der Innerörtlichen Entwicklungspotenzialen und ein Gutachten zu deren Nutzung zu ergänzen.

Projektverlauf, von der Aufgabenstellung und eigener Zielsetzung über die Analyse bis zur Maßnahmen- und Strategieentwicklung


Quellen

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Flächenanteile nach Nutzung an gesamtdeutscher Fläche

Zersiedelung – Beeinträchtigung des Ökosystems und infrastruktureller Mehraufwand

Vergleich des Flächenverbrauchs nach Verkehrsmittel, ruhend sowie bei 30 und 50 km/h

Teilbereiche und Strategien der dreifachen Innenentwicklung

Leitziele und Handlungsfelder, Darstellung nach SRK 2030

Schematische Darstellung einer Einfamilienhaus-Bebauung mit 35 Wohneinheiten pro Hektar am Ortsrand Elgershausen

Räumliche Verortung Elgershausen

Bedarfs- und Mobilitätsanalyse

Bewertungsschema Potenzialräume

Bewertungsschema Potenzialflächen

Ermittelte Potenzialräume und -flächen

Aktuelle Entwicklungstrends

Zwei zukünftige Entwicklungsszenarien für Elgershausen

Bewertung der Szenarien

Räumlicher Phasenplan zur Förderung der Innenentwicklung und Flächenaquise

Instrumenteller Phasenplan zur Förderung der Innenentwicklung und Flächenaquise

Instrumente zur lokalen Förderung der Innenentwicklung

Maßnahmen zur Koordination der Flächeninanspruchnahme. Grün hinterlegte bereits vorhanden, rot mit Bezug auf Fläche und hellrot auf Wohnen vorgeschlagen.

Allgemeine Instrumente. Grün hinterlegte bereit vorhanden bzw. angedacht, rote Kacheln nicht.

Effizienz auch im Neubau: Schematische Übersicht zu verschiedenen Typologien anhand jeweils 35 Wohneinheiten auf 1 Hektar.

Projektverlauf, von der Aufgabenstellung und eigener Zielsetzung über die Analyse bis zur Maßnahmen- und Strategieentwicklung