Gutshof Fellin und Familie von Ungern-Sternberg

Laureen Soll

Altes Schloss Fellin

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Das Gut Fellin wurde wahrscheinlich im 17. Jahrhundert gegründet. 1749 wurde das einstöckige alte Hauptgebäude, das sog. Alte Schloss gebaut. (Eesti Mõisaportaal, 03.03.2022) 1860 kam das Gut in Besitz von August Paul Adolph von Ungern-Sternberg, der Agrarberater Livlands, Vorsitzender der obersten Kirche im Kreis Tartu-Võru und Präsident des Schulkollegiums vom Landesgymnasium Fellin war. (Schloss Fellin, 02.02.2022) Im Alten Schloss wurden große Feste und lustige Veranstaltungen durchgeführt. Sogar die Kaiserin besuchte mehrmals das Schloss und dann wurden solche Partys organisiert, die man sonst selten sah. (Raudla, 2015) Das Gut wurde eigentlich vom ersten Sohn von Paul, von Oswald Paul Conrad Constantin von Ungern-Sternberg geleitet. Er heiratete 1877 Emily Sophie Alexandrine von Wolff und 1878 wurde im alten Schloss ihre Tochter Alexandrine Alice Emily von Ungern-Sternberg (später Mensenkampff) geboren. Die Tochter war für die Familie eine Enttäuschung, denn eigentlich wartete man im Gut auf einen Sohn. Alexandrine war aber wie ein Junge. Sie hatte aktiven Charakter und suchte ständig nach verschiedenen Aktivitäten. Sie spielte mit Pferden und Hunden und verbrachte den ganzen Tag draußen. Besonders stolz war sie dann, wenn Papa sie auf seine Dienstreisen mitnahm. Da stellte der Vater der Tochter die Geheimnisse der Landwirtschaft vor, gemeinsam wurden die Geschäftspläne besprochen. (Kultuur ja Elu, 02.02.2022) Am Anfang der 1930 Jahre war das Alte Schloss in einem schlechten Zustand. 1938 wurde es abgerissen. (Eesti Mõisaportaal, 03.03.2022) Heute steht an dieser Stelle die Statue von General Johan Laidoner.

August Paul Adolph von Ungern-Sternberg

August Paul Adolph von Ungern-Sternberg. Click to expand.

(1816-1887)

Oswald Paul Conrad Constantin von Ungern-Sternberg

Oswald Paul Conrad Constantin von Ungern-Sternberg. Click to expand.

(1847-1907)

Emily Sophie Alexandrine von Wolff

Emily Sophie Alexandrine von Wolff. Click to expand.

(1855-1934)

Alexandrine Alice Emily von Mensenkampff

Alexandrine Alice Emily von Mensenkampff. Click to expand.

(1878-1934)

Neues Schloss Fellin

Neues Schloss Fellin. Click to expand.

Das neue steinerne Schloss Fellin wurde 1879-1880 vom Baron Oswald Paul Conrad Constantin von Ungern-Sternberg nach dem Projekt vom Rigaer Architekten Robert Pfug im Neorenaissance Stil errichtet. (Raudla, 2015) Es wurde am 12. Juli, am Hochzeitsjahrestag des Barons und der Baronesse eingeweiht. Anwesend waren sowohl die Eltern des Barons als auch die Eltern von seiner Frau. Die lange und langweilige Festrede des Pastors August Jakob Westren-Doll (1838-1912) wurde von der kleinen Alexandrine, der Tochter des Barons und der Baronesse unterbrochen. Das Kind lief in der Mitte des Saals und rief: „Wollen wir nun lieber singen!“ (Raudla, 2015) Das Neue Schloss Fellin und der Schlosspark waren wunderschön. Die Silberfichten brachte Oswald selbst aus Deutschland mit und pflanzte sie um das Schloss. Alexandrine pflanzte Weintrauben, die schnell Früchte trugen. Das Gut Fellin war sehr grün. (Raudla, 2015) Der Lieblingsort der Schlossbewohner war die Veranda des Schlosses. Dort wurde gearbeitet, gelesen, Mittag gegessen und Kaffee getrunken. Im Schloss gab es einen wunderschönen Saal mit Ulmentüren. In der Decke hing ein großer Kronleuchter aus Venedig, die Wände wurden von vielen Kunstwerken geschmückt. Auf dem Spiegeltisch stand die Büste von J.W.Goethe. Auch in dem kleinen Salon hingen mehrere Gemälde. Im Schloss befanden sich noch Schreibstube der Mutter, großes Schlafzimmer der Eltern, Kinderzimmer, Stube des Zimmermädchens, Küche und Esszimmer, Herrenzimmer, Schreibzimmer des Vaters, hintere Veranda, sieben Gästezimmer und ein großer, heller Raum, in dem die Wäsche getrocknet wurde. Im Kellergeschoss gab es mehrere trockene Keller, Zimmer der Diener und Handwerker und Wäscherei. (https://www.schlossfellin.ee/ajalugu) Im Jahr 1919 wurde der Gutshof Fellin verstaatlicht. Familie Ungern-Sternberg blieb bis 1939 in Viljandi. Danach zogen sie nach Deutschland um. (Wikipedia, 03.03.2022) Nach der Enteignung der Gutsbesitzer diente das Schloss den in den Freiheitskriegen von 1918- 1919 gebildeten Truppen „Scouts Bataillon“ und „Partisanen Battaillon“ als Residenz. Während der ersten Periode der Selbstständigkeit wurde das Haus von der Polizei, während der Okkupationszeit von der Miliz und ab 1991 wieder von der Polizei genutzt. (Raudla, 2015) Heute gehört das Schloss Fellin Herrn Viktor Siilats, der es für etwa drei Millionen Euro renovieren ließ, weil er viele private Erinnerungen an das Gut Fellin hatte. Nämlich arbeiteten mehrere Verwandte von ihm da als Gutsdiener. (Hämarsoo, 30.07.2021) Im Sommer 2021 wurde im Schloss das Spa-Hotel „Schloss Fellin“ eröffnet, in dem es 17 Zimmer, ein kleines Spa für 22 Gäste, ein Café und ein Gourmet-Restaurant gibt. (Schloss Fellin, 03.03.2022)

Spa-Hotel "Schloss Fellin"

Spa-Hotel "Schloss Fellin". Click to expand.

2021

Friedhof vom Schloss Fellin

Friedhof vom Schloss Fellin. Click to expand.

Zu dem Gut Fellin gehörte auch der Friedhof, der sich in der Nähe des Schlosses befand. Es wurde Anfang 1907 gegründet, als Oswald Paul von Ungern-Sternberg starb. In seinem Grab wurden sowohl die Reste einer katholischen Kapelle aus der Ordenzeit als auch das Herrenhaus vom Grafen de la Gardie entdeckt. (Schloss Fellin, 02.02.2022) Im Jahr 1909 wurde auf dem Friedhof die Schwester von Oswald, Marie Anna Eugenie von Ungern-Sternberg beerdigt, die lange krank war. (Kultuur ja Elu, 02.02.2022) Im Jahr 1934 starb Emily Sophie Alexandrine, die Frau von Oswald. Auch sie liegt auf dem Familienfriedhof von Ungern-Sternberg begraben. (Kultuur ja Elu, 02.02.2022) Zuletzt wurde auf dem Friedhof des Gutes Alexandrine Alice Emily von Mensenkampff, die Tochter von Oswald und Emily beerdigt. Sie starb am Ende des Jahres 1934. Auch der Grab von Otto Oswald Karl von Mensenkampff, dem Sohn von Alexandrine, der mit nur 18 Jahren an Meningitis starb, liegt auf diesem Friedhof. (Wikipedia, 02.02.2022) Wie viele Menschen insgesamt da ihre letzte Ruhestätte fanden, steht nicht genau fest. (Kultuur ja Elu, 02.02.2022) Der Friedhof ist mehrmals geplündert und zerstört worden. Erhalten geblieben sind nur Mauer, Treppe und ein paar Reste von Grabsteinen.

Flugzeugfabrik

Flugzeugfabrik. Click to expand.

Im Jahre 1900 wurde in der Familie der Barone der Sohn Heinrich (Heinz) Oswald Paul Richard geboren. Er war der letzte Gutsbesitzer in der Familie von Ungern-Sternberg. Heinz interessierte sich für das Flugwesen, das er 1924-1925 in der Flugschule Rositten in Preußen gelernt hatte. Dank ihm enstand in Viljandi 1930 das Privatflugwesen und Viljandi wurde für einige Jahre Flughauptstadt von Estland. Am 5. Juni 1931 wurde der Verein des Flugwesens von Sakalamaa gegründet. Das Fliegerzeugnis erhielt der Baron 1932 in einem Motorflugkurs des Tallinner Flugwesenvereins. Sein Motorflugzeug Klemm L 25b VII hatte er in Deutschland gekauft. Er war der erste in Estland, der ein Privatflugzeug besaß. Am 10. Juli 1932 eröffnete man an der Rigaer Straße, auf einem Gutsfeld feierlich den Flughafen von Viljandi. Dort gab es auch einen Flugzeughangar (15x20m), daneben die Wohnung der Flughafenwacht und einen etwas größeren Raum für die Fluggäste. Heinz durfte für sein Unternehmen die alte Brauerei des Gutes benutzen. (https://www.lennukitehas.ee/lennukitehas/tehase-ajalugu/) Da begann er, selbst die Flugzeuge zu produzieren. Insgesamt wurden in dieser Flugzeugfabrik zwei Motorflugzeuge und vier Segelflugzeuge hergestellt. Zusammen mit seinem Freund Ulrich Brasche bot Heinz von Ungern-Sternberg für Passagiere die Flüge mit Lufttaxi an. Dem Viljandier Verein des Flugwesens ging es sehr gut. Darüber berichteten sogar die europäischen Zeitungen, als Baron mit seinem Flugzeug eine Reise in Europa machte. (Raudla, 2015) Ungern-Sternberg organisierte auch Segelflugkurse und andere Flugveranstaltungen für Interessenten. Man flog zum Beispiel zur Flugausstellung nach Warschau. Die Segelflugzeuge sollten die Kursteilnehmer unter Leitung vom Baron selbst bauen. Dafür durften sie seine Werkstatt und Materialien benutzen. (Raudla, 2015) Ab und zu passierten auch Flugunfälle. (https://dea.digar.ee/cgi-bin/dea?a=d&d=sakalaew19340713.2.16&e=-------et-25--1--txt-txIN%7ctxTI%7ctxAU%7ctxTA) Der Geschäftsmann Heinz von Ungern-Sternberg war 1930-1933 als Vertreter der deutschbaltischen Fraktion auch Mitglied des Stadtrats von Viljandi. Er beteiligte sich auch an der estnischen Freiheitsbewegung. Am 12. November 1934 wurde er arretiert, weil er vermutlich dem Politiker Artur Sirk bei seiner Flucht nach Finnland half. Heinz von Ungern-Sternberg wurde seine Pilotenlizenz entzogen und er wurde aus dem Viljandier Verein des Flugwesens rausgeschmissen. Er sollte im Land, wofür er im Freiheitskrieg mit der Waffe gekämpft hatte, fünf Monate im Gefängnis in einer Einzelzelle verbringen. (Kultuur ja Elu, 23.01.2022) Ohne Heinz von Ungern-Sternberg verlor Viljandi sofort ihre Position im Flugwesen. Es gehörte nicht mehr zu den besten Flugzentren Estlands und ging schnell pleite. (Kultuur ja Elu, 23.01.2022)

Heinrich (Heinz) Oswald Paul Richard von Ungern-Sternberg

Heinrich (Heinz) Oswald Paul Richard von Ungern-Sternberg. Click to expand.

(1900-1945)

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Dieser Monoplan wurde in der Werkstatt von Heinz von Ungern-Sternberg gebaut. Die Leute testeten die Festigkeit der Flügel. Der Baron selbst ist von links der Dritte. (Kultuur ja Elu, 02.02.2022)

Produktion der Linienbusse

Produktion der Linienbusse. Click to expand.

Nachdem Heinz von Ungern-Sternberg keine Fluglizenz mehr hatte, beschloss er in seiner Werkstatt Linienbusse herzustellen. Seine Firma war ein Großunternehmen, in dem es 1937 73 und 1938 63 Mitarbeiter gab. Man produzierte vor allem Buskarosserien. Das Unternehmen bekam viele Bestellungen aus Tallinn, Tartu und Narva. Für Viljandi wurden die ersten Linienbusse in den Jahren 1938-1939 gebaut. Die blauen Busse hatten 28-29 Sitzplätze und kosteten 14 500-15 000 Kronen. (Kultuur ja Elu, 02.03.2022) Bis zum Jahr 1941 wurden insgesamt 50 Busse, zwei Sanitätsautos und ein Gasschutzauto hergestellt. In dem Gasschutzauto gab es die Abteilungen für Gasschutz, Degasieren und erste Hilfe. Zur Ausrüstung gehörten zwei Tragbahren, Gasmasken, Sauerstoffapparate, Medikamente, Werkzeuge usw. Im hinteren Teil des Autos war ein Waschraum mit warmer Dusche. Während des Friedens benutzte man dieses Auto als Krankenwagen für die Vergiftungsunfälle. Das war der erste solche Wagen in den baltischen Ländern. Sogar die Finnen hatten so etwas nicht. 1939 veließ Heinz Osvald Paul Richard Ungern-Sternberg Estland. Er fiel im Januar 1945 in Preußen in der Besetzung des Volkssturms. (Kultuur ja Elu, 02.03.2022)

Hängebrücke und Schlosspark

Hängebrücke und Schlosspark. Click to expand.

Alexandrine Alice Emily von Ungern-Sternberg heiratete den Gutsherrn von Tarvastu, Karl August von Mensenkampff. Im jahr 1928 schenkte Familie Mensenkampff der Stadt Viljandi die Hängebrücke, die 1879 in Riga gebaut wurde, um das Gutshaus in Tarvastu mit der Kapelle und den Familien-Begräbnisstätten zu verbinden. Die Brücke war in einem sehr schlechten Zustand und die Stadt musste sie renovieren. 1931 wurde die Brücke in Viljandi in den Schlossbergen aufgestellt. (Kultuur ja Elu, 20.03.2022) Sie befindet sich in der Nähe des Neuen Schlosses, ist 50m lang und hängt über einem 15m tiefen Tal. Heute ist sie ein Wahrzeichen der Stadt. Das ganze Gelände um die Ruinen des Ordensschlosses gehörte dem Gutshof. Auf dem heutigen ersten und zweiten Kirschberg wuchsen damals die Kirschbäume des Gutes. Dort befanden sich auch die Wirtschaftsgebäude. 1863 gab der Gutsherr den Schlosspark für die Stadtbevölkerung frei. Man durfte sich dort frei bewegen und Feste feiern. Das abwechslungsreiche Gelände und die Nähe zum See machten den Park zu einem beliebten Aufenthaltsort. (Raudla, 2015) In den Jahren 1878-1879 fanden in den Schlossbergen Ausgrabungen statt. Baron Oswald von Ungern-Sternberg war Mitglied des Komitees der Ausgrabungen. Als Grundeigentümer war er sehr freundlich und gab die Funde in die Sammlung des Museums Viljandi ab. 1893 wurden im Park Wanderwege angelegt, besondere Bäume gepflanzt, die Wallgraben zum Teil ausgefüllt und Bänke aufgestellt. (Raudla, 2015)

Quellen

Quellen. Click to expand.

Ajalugu https://www.schlossfellin.ee/ajalugu (02.02.2022) Heiki Raudla "Viljandi lood ja legendid" Viljandi 2015 Kaua oodatud ehitus algab. Mõisast saab hotell. https://dea.digar.ee/?a=is&oid=sakala20200122&type=staticpdf&e=-------et-25--1--txt-txIN%7ctxTI%7ctxAU%7ctxTA------------- (22.01.2020) Taastas mõisa ja lõi esitluseks heliteose: ettevõtja Viktor Siilats rokkis koos Sepo Seemani ja Valter Soosaluga ka laval https://kroonika.delfi.ee/artikkel/94080197/fotod-taastas-moisa-ja-loi-esitluseks-heliteose-ettevotja-viktor-siilats-rokkis-koos-sepo-seemani-ja-valter-soosaluga-ka-laval (23.07.2021) Ungern-Sternbergid – Fellini viimane parunipere teenimatult unustatud. http://kultuur.elu.ee/ke509_Ungern-Sternberg.htm (23.01.2022) Viljandi linnus ja mõis http://www.mois.ee/vilj/viljandi.shtml (03.03.2022) Viljandi mõis https://et.wikipedia.org/wiki/Viljandi_m%C3%B5is (02.02.2022) Viljandi mõisa kalmistu https://et.wikipedia.org/wiki/Viljandi_m%C3%B5isa_kalmistu (02.02.2022) Bilder Alexandrine Alice Emily von Mensenkampff http://kultuur.elu.ee/509/509_ungern8.jpg Altes Schloss Fellin, 1937 https://i.pinimg.com/originals/45/d0/62/45d062cf8514be1d2b6fdb63a3367e58.jpg August Paul von Ungern-Sternberg https://photos.geni.com/p13/0f/d5/ea/a0/53444838ac650491/august_paul_adolf_v-u-s_medium.jpg Emily Sophie Alexandrine von Wolff https://photos.geni.com/p13/09/99/46/ba/5344483a32a0f29c/cad93kuq_medium.jpg Flugzeugfabrik https://f7.pmo.ee/SAY9vqcWa5o5cOPgSIrQkcDQO_Y=/1200x630/smart/nginx/o/2009/10/24/255849t1hd8b9.jpg Friedhof vom Schloss Fellin https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/ad/Viljandi_m%C3%B5isa_kalmistu_03.JPG Heinz Oswald Paul Richard von Ungern-Sternberg http://photos.geni.com/p13/c0/ec/a6/49/5344483a115914cc/heinz_v_original.jpg Hängebrücke, 1935 https://ajapaik.ee/photo-thumb/276330/800/fotopostkaart-viljandi-rippsild-valmis-1931-lauluvaljaku/ Schloss Fellin, 2021 https://unico.ee/wp-content/uploads/2021/09/viljandi-mois-valjast-st-droon.jpg Oswald Paul Conrad Constantin von Ungern-Sternberg http://kultuur.elu.ee/509/509_ungern7.jpg Produktion der Linienbusse https://ajapaik.ee/photo-thumb/93008/800/fotokoopia-viljandi-hariduse-tn-12a-ungern/ Schloss Fellin, 1906 https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/d/d5/Viljandi_m%C3%B5is_1906.jpg/330px-Viljandi_m%C3%B5is_1906.jpg

Altes Schloss Fellin

Das Gut Fellin wurde wahrscheinlich im 17. Jahrhundert gegründet. 1749 wurde das einstöckige alte Hauptgebäude, das sog. Alte Schloss gebaut. (Eesti Mõisaportaal, 03.03.2022) 1860 kam das Gut in Besitz von August Paul Adolph von Ungern-Sternberg, der Agrarberater Livlands, Vorsitzender der obersten Kirche im Kreis Tartu-Võru und Präsident des Schulkollegiums vom Landesgymnasium Fellin war. (Schloss Fellin, 02.02.2022) Im Alten Schloss wurden große Feste und lustige Veranstaltungen durchgeführt. Sogar die Kaiserin besuchte mehrmals das Schloss und dann wurden solche Partys organisiert, die man sonst selten sah. (Raudla, 2015) Das Gut wurde eigentlich vom ersten Sohn von Paul, von Oswald Paul Conrad Constantin von Ungern-Sternberg geleitet. Er heiratete 1877 Emily Sophie Alexandrine von Wolff und 1878 wurde im alten Schloss ihre Tochter Alexandrine Alice Emily von Ungern-Sternberg (später Mensenkampff) geboren. Die Tochter war für die Familie eine Enttäuschung, denn eigentlich wartete man im Gut auf einen Sohn. Alexandrine war aber wie ein Junge. Sie hatte aktiven Charakter und suchte ständig nach verschiedenen Aktivitäten. Sie spielte mit Pferden und Hunden und verbrachte den ganzen Tag draußen. Besonders stolz war sie dann, wenn Papa sie auf seine Dienstreisen mitnahm. Da stellte der Vater der Tochter die Geheimnisse der Landwirtschaft vor, gemeinsam wurden die Geschäftspläne besprochen. (Kultuur ja Elu, 02.02.2022) Am Anfang der 1930 Jahre war das Alte Schloss in einem schlechten Zustand. 1938 wurde es abgerissen. (Eesti Mõisaportaal, 03.03.2022) Heute steht an dieser Stelle die Statue von General Johan Laidoner.

August Paul Adolph von Ungern-Sternberg

(1816-1887)

Oswald Paul Conrad Constantin von Ungern-Sternberg

(1847-1907)

Emily Sophie Alexandrine von Wolff

(1855-1934)

Alexandrine Alice Emily von Mensenkampff

(1878-1934)

Neues Schloss Fellin

Das neue steinerne Schloss Fellin wurde 1879-1880 vom Baron Oswald Paul Conrad Constantin von Ungern-Sternberg nach dem Projekt vom Rigaer Architekten Robert Pfug im Neorenaissance Stil errichtet. (Raudla, 2015) Es wurde am 12. Juli, am Hochzeitsjahrestag des Barons und der Baronesse eingeweiht. Anwesend waren sowohl die Eltern des Barons als auch die Eltern von seiner Frau. Die lange und langweilige Festrede des Pastors August Jakob Westren-Doll (1838-1912) wurde von der kleinen Alexandrine, der Tochter des Barons und der Baronesse unterbrochen. Das Kind lief in der Mitte des Saals und rief: „Wollen wir nun lieber singen!“ (Raudla, 2015) Das Neue Schloss Fellin und der Schlosspark waren wunderschön. Die Silberfichten brachte Oswald selbst aus Deutschland mit und pflanzte sie um das Schloss. Alexandrine pflanzte Weintrauben, die schnell Früchte trugen. Das Gut Fellin war sehr grün. (Raudla, 2015) Der Lieblingsort der Schlossbewohner war die Veranda des Schlosses. Dort wurde gearbeitet, gelesen, Mittag gegessen und Kaffee getrunken. Im Schloss gab es einen wunderschönen Saal mit Ulmentüren. In der Decke hing ein großer Kronleuchter aus Venedig, die Wände wurden von vielen Kunstwerken geschmückt. Auf dem Spiegeltisch stand die Büste von J.W.Goethe. Auch in dem kleinen Salon hingen mehrere Gemälde. Im Schloss befanden sich noch Schreibstube der Mutter, großes Schlafzimmer der Eltern, Kinderzimmer, Stube des Zimmermädchens, Küche und Esszimmer, Herrenzimmer, Schreibzimmer des Vaters, hintere Veranda, sieben Gästezimmer und ein großer, heller Raum, in dem die Wäsche getrocknet wurde. Im Kellergeschoss gab es mehrere trockene Keller, Zimmer der Diener und Handwerker und Wäscherei. ( https://www.schlossfellin.ee/ajalugu)   Im Jahr 1919 wurde der Gutshof Fellin verstaatlicht. Familie Ungern-Sternberg blieb bis 1939 in Viljandi. Danach zogen sie nach Deutschland um. (Wikipedia, 03.03.2022) Nach der Enteignung der Gutsbesitzer diente das Schloss den in den Freiheitskriegen von 1918- 1919 gebildeten Truppen „Scouts Bataillon“ und „Partisanen Battaillon“ als Residenz. Während der ersten Periode der Selbstständigkeit wurde das Haus von der Polizei, während der Okkupationszeit von der Miliz und ab 1991 wieder von der Polizei genutzt. (Raudla, 2015) Heute gehört das Schloss Fellin Herrn Viktor Siilats, der es für etwa drei Millionen Euro renovieren ließ, weil er viele private Erinnerungen an das Gut Fellin hatte. Nämlich arbeiteten mehrere Verwandte von ihm da als Gutsdiener. (Hämarsoo, 30.07.2021) Im Sommer 2021 wurde im Schloss das Spa-Hotel „Schloss Fellin“ eröffnet, in dem es 17 Zimmer, ein kleines Spa für 22 Gäste, ein Café und ein Gourmet-Restaurant gibt. (Schloss Fellin, 03.03.2022)

Spa-Hotel "Schloss Fellin"

2021

Friedhof vom Schloss Fellin

Zu dem Gut Fellin gehörte auch der Friedhof, der sich in der Nähe des Schlosses befand. Es wurde Anfang 1907 gegründet, als Oswald Paul von Ungern-Sternberg starb. In seinem Grab wurden sowohl die Reste einer katholischen Kapelle aus der Ordenzeit als auch das Herrenhaus vom Grafen de la Gardie entdeckt. (Schloss Fellin, 02.02.2022) Im Jahr 1909 wurde auf dem Friedhof die Schwester von Oswald, Marie Anna Eugenie von Ungern-Sternberg beerdigt, die lange krank war. (Kultuur ja Elu, 02.02.2022) Im Jahr 1934 starb Emily Sophie Alexandrine, die Frau von Oswald. Auch sie liegt auf dem Familienfriedhof von Ungern-Sternberg begraben. (Kultuur ja Elu, 02.02.2022) Zuletzt wurde auf dem Friedhof des Gutes Alexandrine Alice Emily von Mensenkampff, die Tochter von Oswald und Emily beerdigt. Sie starb am Ende des Jahres 1934. Auch der Grab von Otto Oswald Karl von Mensenkampff, dem Sohn von Alexandrine, der mit nur 18 Jahren an Meningitis starb, liegt auf diesem Friedhof. (Wikipedia, 02.02.2022) Wie viele Menschen insgesamt da ihre letzte Ruhestätte fanden, steht nicht genau fest. (Kultuur ja Elu, 02.02.2022) Der Friedhof ist mehrmals geplündert und zerstört worden. Erhalten geblieben sind nur Mauer, Treppe und ein paar Reste von Grabsteinen.

Flugzeugfabrik

Im Jahre 1900 wurde in der Familie der Barone der Sohn Heinrich (Heinz) Oswald Paul Richard geboren. Er war der letzte Gutsbesitzer in der Familie von Ungern-Sternberg. Heinz interessierte sich für das Flugwesen, das er 1924-1925 in der Flugschule Rositten in Preußen gelernt hatte. Dank ihm enstand in Viljandi 1930 das Privatflugwesen und Viljandi wurde für einige Jahre Flughauptstadt von Estland. Am 5. Juni 1931 wurde der Verein des Flugwesens von Sakalamaa gegründet. Das Fliegerzeugnis erhielt der Baron 1932 in einem Motorflugkurs des Tallinner Flugwesenvereins. Sein Motorflugzeug Klemm L 25b VII hatte er in Deutschland gekauft. Er war der erste in Estland, der ein Privatflugzeug besaß. Am 10. Juli 1932 eröffnete man an der Rigaer Straße, auf einem Gutsfeld feierlich den Flughafen von Viljandi. Dort gab es auch einen Flugzeughangar (15x20m), daneben die Wohnung der Flughafenwacht und einen etwas größeren Raum für die Fluggäste. Heinz durfte für sein Unternehmen die alte Brauerei des Gutes benutzen. ( https://www.lennukitehas.ee/lennukitehas/tehase-ajalugu/ ) Da begann er, selbst die Flugzeuge zu produzieren. Insgesamt wurden in dieser Flugzeugfabrik zwei Motorflugzeuge und vier Segelflugzeuge hergestellt. Zusammen mit seinem Freund Ulrich Brasche bot Heinz von Ungern-Sternberg für Passagiere die Flüge mit Lufttaxi an. Dem Viljandier Verein des Flugwesens ging es sehr gut. Darüber berichteten sogar die europäischen Zeitungen, als Baron mit seinem Flugzeug eine Reise in Europa machte. (Raudla, 2015) Ungern-Sternberg organisierte auch Segelflugkurse und andere Flugveranstaltungen für Interessenten. Man flog zum Beispiel zur Flugausstellung nach Warschau. Die Segelflugzeuge sollten die Kursteilnehmer unter Leitung vom Baron selbst bauen. Dafür durften sie seine Werkstatt und Materialien benutzen. (Raudla, 2015) Ab und zu passierten auch Flugunfälle. ( https://dea.digar.ee/cgi-bin/dea?a=d&d=sakalaew19340713.2.16&e=-------et-25--1--txt-txIN%7ctxTI%7ctxAU%7ctxTA ) Der Geschäftsmann Heinz von Ungern-Sternberg war 1930-1933 als Vertreter der deutschbaltischen Fraktion auch Mitglied des Stadtrats von Viljandi. Er beteiligte sich auch an der estnischen Freiheitsbewegung. Am 12. November 1934 wurde er arretiert, weil er vermutlich dem Politiker Artur Sirk bei seiner Flucht nach Finnland half. Heinz von Ungern-Sternberg wurde seine Pilotenlizenz entzogen und er wurde aus dem Viljandier Verein des Flugwesens rausgeschmissen. Er sollte im Land, wofür er im Freiheitskrieg mit der Waffe gekämpft hatte, fünf Monate im Gefängnis in einer Einzelzelle verbringen. (Kultuur ja Elu, 23.01.2022) Ohne Heinz von Ungern-Sternberg verlor Viljandi sofort ihre Position im Flugwesen. Es gehörte nicht mehr zu den besten Flugzentren Estlands und ging schnell pleite. (Kultuur ja Elu, 23.01.2022)

Heinrich (Heinz) Oswald Paul Richard von Ungern-Sternberg

(1900-1945)

Dieser Monoplan wurde in der Werkstatt von Heinz von Ungern-Sternberg gebaut. Die Leute testeten die Festigkeit der Flügel. Der Baron selbst ist von links der Dritte. (Kultuur ja Elu, 02.02.2022)

Produktion der Linienbusse

Nachdem Heinz von Ungern-Sternberg keine Fluglizenz mehr hatte, beschloss er in seiner Werkstatt Linienbusse herzustellen. Seine Firma war ein Großunternehmen, in dem es 1937 73 und 1938 63 Mitarbeiter gab. Man produzierte vor allem Buskarosserien. Das Unternehmen bekam viele Bestellungen aus Tallinn, Tartu und Narva. Für Viljandi wurden die ersten Linienbusse in den Jahren 1938-1939 gebaut. Die blauen Busse hatten 28-29 Sitzplätze und kosteten 14 500-15 000 Kronen. (Kultuur ja Elu, 02.03.2022) Bis zum Jahr 1941 wurden insgesamt 50 Busse, zwei Sanitätsautos und ein Gasschutzauto hergestellt. In dem Gasschutzauto gab es die Abteilungen für Gasschutz, Degasieren und erste Hilfe. Zur Ausrüstung gehörten zwei Tragbahren, Gasmasken, Sauerstoffapparate, Medikamente, Werkzeuge usw. Im hinteren Teil des Autos war ein Waschraum mit warmer Dusche. Während des Friedens benutzte man dieses Auto als Krankenwagen für die Vergiftungsunfälle. Das war der erste solche Wagen in den baltischen Ländern. Sogar die Finnen hatten so etwas nicht. 1939 veließ Heinz Osvald Paul Richard Ungern-Sternberg Estland. Er fiel im Januar 1945 in Preußen in der Besetzung des Volkssturms. (Kultuur ja Elu, 02.03.2022)

Hängebrücke und Schlosspark

Alexandrine Alice Emily von Ungern-Sternberg heiratete den Gutsherrn von Tarvastu, Karl August von Mensenkampff. Im jahr 1928 schenkte Familie Mensenkampff der Stadt Viljandi die Hängebrücke, die 1879 in Riga gebaut wurde, um das Gutshaus in Tarvastu mit der Kapelle und den Familien-Begräbnisstätten zu verbinden. Die Brücke war in einem sehr schlechten Zustand und die Stadt musste sie renovieren. 1931 wurde die Brücke in Viljandi in den Schlossbergen aufgestellt. (Kultuur ja Elu, 20.03.2022) Sie befindet sich in der Nähe des Neuen Schlosses, ist 50m lang und hängt über einem 15m tiefen Tal. Heute ist sie ein Wahrzeichen der Stadt. Das ganze Gelände um die Ruinen des Ordensschlosses gehörte dem Gutshof. Auf dem heutigen ersten und zweiten Kirschberg wuchsen damals die Kirschbäume des Gutes. Dort befanden sich auch die Wirtschaftsgebäude. 1863 gab der Gutsherr den Schlosspark für die Stadtbevölkerung frei. Man durfte sich dort frei bewegen und Feste feiern. Das abwechslungsreiche Gelände und die Nähe zum See machten den Park zu einem beliebten Aufenthaltsort. (Raudla, 2015) In den Jahren 1878-1879 fanden in den Schlossbergen Ausgrabungen statt. Baron Oswald von Ungern-Sternberg war Mitglied des Komitees der Ausgrabungen. Als Grundeigentümer war er sehr freundlich und gab die Funde in die Sammlung des Museums Viljandi ab. 1893 wurden im Park Wanderwege angelegt, besondere Bäume gepflanzt, die Wallgraben zum Teil ausgefüllt und Bänke aufgestellt. (Raudla, 2015)

Quellen

Ajalugu https://www.schlossfellin.ee/ajalugu (02.02.2022) Heiki Raudla "Viljandi lood ja legendid" Viljandi 2015 Kaua oodatud ehitus algab. Mõisast saab hotell. https://dea.digar.ee/?a=is&oid=sakala20200122&type=staticpdf&e=-------et-25--1--txt-txIN%7ctxTI%7ctxAU%7ctxTA------------- (22.01.2020) Taastas mõisa ja lõi esitluseks heliteose: ettevõtja Viktor Siilats rokkis koos Sepo Seemani ja Valter Soosaluga ka laval https://kroonika.delfi.ee/artikkel/94080197/fotod-taastas-moisa-ja-loi-esitluseks-heliteose-ettevotja-viktor-siilats-rokkis-koos-sepo-seemani-ja-valter-soosaluga-ka-laval (23.07.2021) Ungern-Sternbergid – Fellini viimane parunipere teenimatult unustatud. http://kultuur.elu.ee/ke509_Ungern-Sternberg.htm (23.01.2022) Viljandi linnus ja mõis http://www.mois.ee/vilj/viljandi.shtml (03.03.2022) Viljandi mõis https://et.wikipedia.org/wiki/Viljandi_m%C3%B5is (02.02.2022) Viljandi mõisa kalmistu https://et.wikipedia.org/wiki/Viljandi_m%C3%B5isa_kalmistu (02.02.2022) Bilder Alexandrine Alice Emily von Mensenkampff http://kultuur.elu.ee/509/509_ungern8.jpg Altes Schloss Fellin, 1937 https://i.pinimg.com/originals/45/d0/62/45d062cf8514be1d2b6fdb63a3367e58.jpg August Paul von Ungern-Sternberg https://photos.geni.com/p13/0f/d5/ea/a0/53444838ac650491/august_paul_adolf_v-u-s_medium.jpg Emily Sophie Alexandrine von Wolff https://photos.geni.com/p13/09/99/46/ba/5344483a32a0f29c/cad93kuq_medium.jpg Flugzeugfabrik https://f7.pmo.ee/SAY9vqcWa5o5cOPgSIrQkcDQO_Y=/1200x630/smart/nginx/o/2009/10/24/255849t1hd8b9.jpg Friedhof vom Schloss Fellin https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/ad/Viljandi_m%C3%B5isa_kalmistu_03.JPG Heinz Oswald Paul Richard von Ungern-Sternberg http://photos.geni.com/p13/c0/ec/a6/49/5344483a115914cc/heinz_v_original.jpg Hängebrücke, 1935 https://ajapaik.ee/photo-thumb/276330/800/fotopostkaart-viljandi-rippsild-valmis-1931-lauluvaljaku/ Schloss Fellin, 2021 https://unico.ee/wp-content/uploads/2021/09/viljandi-mois-valjast-st-droon.jpg Oswald Paul Conrad Constantin von Ungern-Sternberg http://kultuur.elu.ee/509/509_ungern7.jpg Produktion der Linienbusse https://ajapaik.ee/photo-thumb/93008/800/fotokoopia-viljandi-hariduse-tn-12a-ungern/ Schloss Fellin, 1906 https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/d/d5/Viljandi_m%C3%B5is_1906.jpg/330px-Viljandi_m%C3%B5is_1906.jpg